Foto: epd-bild/Andreas Schoelzel
Rose zum Gedenken: Am Mittwoch wurde in Berlin das Mahnmal für die in der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma eröffnet.
Zentrales Sinti-und-Roma-Mahnmal eingeweiht
Viele hatten kaum noch daran geglaubt, doch am Mittwoch war es endlich soweit: Jahre nach dem Holocaust-Mahnmal für die Juden Europas und der Gedenkstätte für die in der NS-Zeit ermordeten Homosexuellen haben nun auch die Sinti und Roma ein Mahnmal.
24.10.2012
epd
Jürgen Heilig

"Es darf nicht sein, dass unsere Lieben umsonst gestorben sind." Zoni Weisz kämpft mit den Tränen. Mehrere hundert Menschen hören der Schilderung des heute 75-jährigen Holländers gebannt zu, wie er dem nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma entkam. "Durch den Mut eines einzelnen habe ich überlebt, andere nicht." Zu ihnen gehörte auch sein eigener Vater. Ihn sah Weisz als kleiner Junge 1944 zuletzt im Viehwagon des Deportationszuges nach Auschwitz entschwinden.

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Fast 70 Jahre nach Kriegsende wurde am Mittwoch in Berlin mit einer bewegenden Zeremonie das zentrale Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma eingeweiht. "Jedes einzelne Schicksal dieses Völkermords ist eine Geschichte unfassbaren Leids und erfüllt mich mit Trauer und Scham", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Und zu den rund 100 anwesenden Überlebenden, für die Weisz stellvertretend das Wort ergriffen hatte, fügte sie hinzu: "Sie alle können nicht vergessen und wir dürfen nicht vergessen."

Bei der symbolischen Eröffnung mit einer Gedenkminute führte die zwölfjährige Messina Weiss, Enkelin einer Auschwitz-Sinti-Überlebenden, danach die Ehrengäste zum Mahnmal. Dazu gehörten auch Bundespräsident Joachim Gauck, sein Amtsvorgänger Richard von Weizsäcker und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Die Fertigstellung des seit 20 Jahren geplanten Projekts im Berliner Tiergarten zwischen Reichstag und Brandenburger Tor hatte sich immer wieder verzögert.

Immer eine frische Blume

Die 2,8 Millionen Euro teure Gedenkstätte des israelischen Künstlers Dani Karavan besteht aus einem kreisrunden See auf einer zwölf Meter großen Granitplatte. Auf einem dreieckigen Stein in der Mitte soll auch im Winter eine immer frische Blume liegen. Zur Einweihung wurde die Blüte eines Eisenhuts ausgewählt.

Akustisch untermalt wird das Ensemble von einem Geigenton, der von dem deutschen Sinto-Künstler Romeo Franz eingespielt wurde. Nach dem Willen Karavans soll die Tiergarten-Lichtung zu einem Ort innerer Anteilnahme werden, "ein Ort, den Schmerz zu fühlen, sich zu erinnern". Für den Starkünstler ist es "vielleicht sogar das wichtigste" der zahlreichen, begehbaren Mahnmale, die er bislang entworfen hat.

Mindestens 100.000 Opfer

Informationen zum nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma finden sich auf Texttafeln, die das Mahnmalgelände einrahmen. Den Verbrechen sind Schätzungen von Historikern zufolge mindestens 100.000 Menschen zum Opfer gefallen. Der Zentralrat der Sinti und Roma spricht hingegen von einer halben Million.

"Es gibt keine einzige Familie unserer Minderheit, die nicht Angehörige verloren hat", erinnert der Zentralratsvorsitzende Romani Rose. Er hatte 1980 mit einem Hungerstreik in der KZ-Gedenkstätte als erster auf diesen lange vergessenen, zweiten Völkermord der Nazis aufmerksam gemacht. In seine Freude über das Mahnmal mischt sich aber auch Schmerz: "Es ist bedrückend, dass viele Überlebende diesen Tag nicht mehr miterleben können." Zudem sei auch der heutige Rassismus gegenüber Sinti und Roma in Europa besorgniserregend. Da stimmt ihm auch Zoni Weisz zu: Aus den Verbrechen von damals habe die Gesellschaft "fast nichts" gelernt.

Merkel gegen Gleichgültigkeit

Bei Kanzlerin Merkel verfehlen diese bitteren Worte bei der Einweihung des Mahnmals ihre Wirkung nicht. Die Regierungschefin bezeichnet es als eine deutsche und eine europäische Aufgabe, die Sinti und Roma in ihrem Kampf um Gleichberechtigung zu unterstützen, wo auch immer sie leben: "Im Klima der Gleichgültigkeit keimt die Menschenverachtung auf."

Kaum hat Merkel geendet, droht allerdings noch ein kleiner Eklat. Ein lautstarker Zwischenrufer meldet sich zu Wort und schreit: "Und was ist mit den Abschiebungen?" Seit Wochen appellieren Flüchtlingsinitiativen, die Rückführung von Roma nach Serbien und Mazedonien zu stoppen. Doch darauf gibt es bei der Einweihung des Berliner Mahnmals keine Antwort.