Nur für einen kurzen Moment läuft die elektrische Kettensäge an. Dann stehen die vier Männer im Reparatur-Café in Zella-Mehlis bei Erfurt plötzlich im Dunkeln. Großes Gelächter. Martin, ehrenamtlicher Mitarbeiter im Café, weiß nicht so recht, was er davon halten soll: "Der Testlauf bei mir zu Hause hat noch einwandfrei funktioniert." Bis der Sicherungskasten gefunden ist, steht auch der Kunde im Dunkeln. Die Taschenlampe am Smartphone gleitet derweil über ein Sammelsurium von Elektrogeräten: Radios und Rührgeräte, eine Kaffeemaschine und eine Mikrowelle stehen auf Tischen und in Regalen. Am Ende kann der Kunde seine reparierte Säge doch noch mitnehmen. Die Sicherung für die Steckdose im Reparaturcafé war für Motorsägen nicht ausgelegt. "Die Jungs sind Gold wert", sagt er und spendet 30 Euro.
Der Meinung schließt sich Thüringens Umweltminister Bernhard Stengele an. Denn Müll sei ein Irrweg, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er vernichte Ressourcen. Der Freistaat fördere daher die Kreislaufwirtschaft. Und dazu gehöre auch, defekte Geräte zu reparieren und nicht einfach wegzuwerfen. "Wir belohnen Tüfteln und Reparieren. Damit schonen wir die Umwelt und den Geldbeutel", sagt der Grünen-Politiker mit Blick auf den sogenannten Reparaturbonus, den Thüringen vor drei Jahren erfunden hat: Auf Antrag übernimmt das Land die Hälfte der Reparaturkosten elektrischer Geräte bis zu einer Höhe von maximal 100 Euro pro Kalenderjahr.
Der Gedanke dahinter: Die hohen Lohnkosten im Fachhandel haben bislang vielfach die Reparatur kleinerer Defekte unwirtschaftlich gemacht. Rund 13.000 Menschen hätten den Bonus 2023 genutzt, eine Neuauflage für 2024 sei geplant, informiert die Verbraucherzentrale Thüringen.
Recht auf Reparatur
Mehr als 30 Millionen Tonnen Müll entstehen jährlich in der Europäischen Union, weil Produkte nicht repariert, sondern weggeworfen werden. Das EU-Parlament will das mit einem "Recht auf Reparatur" ändern, ein entsprechendes Gesetz soll noch vor den Europawahlen 2024 verabschiedet werden. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen das Recht haben, für Geräte wie Waschmaschinen, Staubsauger und Smartphones auch nach Ablauf der Garantiezeit eine Reparatur zu verlangen.
Und die Europaabgeordneten wollen Anreize schaffen, damit die EU-Bürgerinnen und Bürger sich auch wirklich für die Reparatur und gegen ein Neugerät entscheiden. Online-Plattformen, die über Werkstätten und Repaircafés informieren, sowie finanzielle Förderungen wie der Thüringer Reparaturbonus könnten eine Komponente sein.
Seit dem Start des Thüringer Programms wurden etwa 30.000 Anträge bewilligt. Etliche Mobiltelefone, Waschmaschinen, aber auch Fernseher oder Plattenspieler aus DDR-Produktion erhielten so ein zweites Leben. Die inzwischen jährlich bereitgestellten 600.000 Euro nennt Umweltminister Stengele "beispielgebend investiert".
Frankreich macht's vor
In Sachsen wird Thüringens Initiative inzwischen bereits kopiert. Und schon im vergangenen März forderte der Bundesverband Verbraucherzentralen die Einführung eines bundesweiten Reparaturbonus für Elektro- und Elektronikgeräte. In Frankreich gibt es nach Angaben des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz seit Dezember 2022 einen Reparaturbonus für Elektro- und Elektronikgeräte, die nicht mehr von der gesetzlichen Gewährleistung oder von einer Verkäufer- oder Herstellergarantie abgedeckt sind.
Martin aus dem Reparatur-Café findet einen solchen Bonus gut, auch wenn er bei ihm und seinen Kollegen Norbert und Ralf - im Café duzt man sich - selten abgefragt werde. "Die Ersatzteile sind meist zu billig. Die Geräte werden wegen defekter Widerstände, Kabel oder ähnlichem Kleinkram bei uns abgegeben", sagt Ralf. Arbeitslohn nehme das Repaircafé nicht. So kämen die meisten Aufträge gar nicht auf die Mindestrechnungssumme von 25 Euro.
Er zeigt auf die uralte Mikrowelle auf dem Tisch, an der er gerade arbeitet. Es ist ein No-Name-Produkt mit defekter Grillfunktion. 55 Euro kosteten die neuen Stäbe. Diese Rechnung könne der Auftraggeber also bei der Verbraucherzentrale einreichen, um die Hälfte der Summe ersetzt zu bekommen, sobald das Programm für 2024 aufgelegt ist.
In der DDR sei die Herstellung qualitativ hochwertiger Produkte oft am Materialmangel gescheitert, sagt Ralf. Heute werde billiges Material verbaut, weil die Hersteller kein Interesse an einer langen Lebensdauer ihrer Produkte hätten.
Einmal die Woche treffen sich die drei Männer zum gemeinsam ehrenamtlichen Basteln. Angst davor, ihr Hobby aufgeben zu müssen, wenn das Recht auf Reparatur kommt, haben Ralf, Martin und Norbert nicht: Es seien noch viele Altgeräte in Umlauf, die kaputtgehen könnten. Minister Stengele sagt, der Bonus werde bleiben - und das ja vielleicht über Thüringen hinaus.