Es ist eiskalt in der Erfurter Augustinerkirche. Ein paar Touristen schlendern an den Bänken von einer der wichtigsten Lutherstätten entlang. Die meisten verlassen die Kirche bereits nach wenigen Minuten. Neben drei Glasfenstern und einigen Grabplatten gibt es dort nicht viel Bedeutendes zu sehen. Die Ausstattung der Kirche scheint dem Armutsideal ihrer Erbauer aus dem Augustinerorden zu folgen. Der spätere Reformator Martin Luther (1483-1546) lebte von 1505 bis zu seinem Umzug nach Wittenberg 1511 im zugehörigen Kloster. Ein Umbau soll die Kirche künftig heller und offener wirken lassen. Gegen die Pläne regt sich Protest.
Der Pfarrer der inzwischen evangelischen Kirche, Bernd Prigge, erklärt, der Bau solle "heller, kirchenmusikalisch freundlicher und geschichtsbewusster werden". Die Eingriffe seien eine Fortführung des jetzigen schlichten Stils einer Bettelordenskirche. Fast 40 Prozent der veranschlagten Baukosten von fünf Millionen Euro entfielen allein auf den Einbau einer Fußbodenheizung. "Die sieht man dann gar nicht mehr. Aber Sie werden sie spüren können", sagt Prigge. Auch eine geplante Medien-Installation zu Luthers Erfurter Jahren, ein hellerer Anstrich und helle Kirchenbänke änderten nichts an der stilistischen Reinheit der Kirche.
Und doch ist die Empörung groß. Vor allem an einer rollbaren Empore, die dem größten Kirchenchor Thüringens, der Augustiner-Kantorei gute Dienste leisten könnte, scheiden sich die Geister. Landeskonservator Holger Reinhardt befürchtet, der Umbau werde geschichtliche und baukünstlerische Informationen zerstören.
Die inzwischen 107-jährige Architektin Käthe Menzel-Jordan, die den teilweise kriegszerstörten Klosterbezirk nach 1945 wieder mitaufgebaut hatte, hält das Projekt schlicht für Geldverschwendung. "Töricht" sei die Idee, sagte sie der mitteldeutschen Kirchenzeitung "Glaube und Heimat": "Fünf Millionen! Warum soll man so viel Geld ausgeben für eine Kirche, die völlig in Ordnung ist."
Der Pfarrer indes verweist auf die vielfältige Bedeutung und Nutzung der Augustinerkirche. Sie sei "eines der wichtigsten Kulturdenkmäler Thüringens und ein lebendiger Ort", sagt er. Sechs Jahre sei Luther dort Mönch gewesen. "Hier hat er der Reformation gedanklich den Weg bereitet", betont Prigge. Dort habe Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen (1795-1861) im Jahr 1850 ein Parlament einberufen, das die politische Einheit Deutschlands vorbereiten sollte.
Dort sei überdies 1989 ein offener Raum für oppositionelle Gruppen entstanden. Mehrere hundert Touristen besuchten im Durchschnitt täglich die Kirche. "Zum Gottesdienst am Sonntag kommen Menschen aus aller Welt", sagt der Pfarrer. Dieser Ort solle in einen besseren Zustand versetzt werden.
Doch dem Projekt läuft die Zeit davon. Zum 750. Geburtstag der Augustinerkirche im Jahr 2027 soll der Umbau beendet sein. Seit 2022 liegen die Pläne vor, seitdem hat sich kaum etwas getan. Die Finanzierung steht weiter aus. Der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland fehlt es an Geld.
Kritikern an den Umbauplänen hält Prigge entgegen, dass nicht klar sei, wie die Kirche im Mittelalter genau ausgesehen habe. Die Decke sei zu Luthers Zeiten blau gewesen. Vermutlich habe ein Lettner das gotische Kirchenschiff geteilt. Im Raum verteilt befanden sich 15 Altäre. Größere Umbau-Arbeiten hin zu einer neogotischen Gestaltung seien Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgt. Das heutige Aussehen habe die Kirche erst in den 1930er Jahren durch Theo Kellner (1899-1969) erhalten. "Dem Erfurter Architekten schwebte damals ein puristischer Entwurf einer Bettelmönchskirche vor", sagt Prigge. Eine Wiederherstellung des mittelalterlichen Zustands sei dies aber nicht gewesen.