Ruth Ratter regte an, beispielsweise in der Jugendarbeit mehr Angebote zu machen, die sich gezielt an Schülerinnen und Schüler verschiedener Schularten richten. Auch Gemeinsamkeiten zwischen den in den vergangenen Jahren nach Deutschland gelangten Flüchtlingen und der alteigesessenen Bevölkerung müssten gestärkt werden. Ansonsten würden sich die Fehler bei der lange unterlassenen Integration der sogenannten Gastarbeiter wiederholen, warnte Ratter.
Die Friedensinitiative Givat Haviva bemüht sich seit Jahrzehnten um eine Aussöhnung zwischen jüdischen Israelis und israelischen Arabern, deren Anteil an der Bevölkerung bei rund 20 Prozent liegt. Sie fördert den Austausch zwischen beiden Bevölkerungsgruppen und die Kooperation zwischen mehrheitlich jüdischen und arabischen Kommunen. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober betreuen die gemischte jüdisch-arabische Mitarbeiterschaft der Begegnungsstätte auch zahlreiche Flüchtlinge aus der Grenzregion zum Gazastreifen, die auf dem Campus eine Unterkunft fanden. Die Begegnungsstätte wird unter anderem aus Deutschland gefördert, allein das Land Rheinland-Pfalz unterstützt die Arbeit mit jährlich rund 100.000 Euro.
Schon bei ihrem ersten Besuch in der Begegnungsstätte in Israel sei sie begeistert von den dort angestoßenen Initiativen gewesen, berichtete die Vorsitzende des deutschen Freundeskreises. Jüdische und arabische Israelis lebten im Alltag vielfach voneinander abgegrenzt. Dank Givat Haviva entstünden Freundschaften, die lange Bestand hätten. Auch Begegnungsprojekte zwischen israelischen Bürgern und Bewohnern der besetzen Palästinensergebiete habe es in der Vergangenheit gegeben, etwa einen gemeinsamen Radiosender. Sie seien aber seit Jahren nicht mehr durchführbar.
Von der jüngst erneut eskalierten Gewaltspirale im Nahen Osten will sich die 68-Jährige nicht die Hoffnung auf einen Frieden in der Region nehmen lassen. "Ich gehöre eher zur Fraktion 'Jetzt erst recht'", sagte Ratter. In der Debatte um Israel und Palästina forderte sie eine Abkehr vom Schwarz-Weiß-Denken, denn in der Region gebe es mehr als zwei Seiten: "Die Diversität der jüdischen und arabischen Gesellschaft hat eine Bandbreite, die für uns eigentlich unvorstellbar ist."
Bei ihrem bislang letzten Besuch in Israel im Mai 2023 war die Pfälzerin Augenzeugin der Massenkundgebungen gegen die als antidemokratisch kritisierte Justizreform der Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu. Sie sei beeindruckt, wie viele Menschen, darunter auch israelische Araber, auf die Straße gegangen seien.