Maria und Josef dürfen nicht fehlen. Die Heiligen Drei Könige Kaspar, Melchior und Balthasar und allerlei tierisches Personal wie Schaf und Esel bereichern die Szene. Das Jesuskind hingegen wird erst am 24. Dezember ins Stroh gebettet. In der Weihnachtskrippe, die in diesem Jahr auf dem Petersplatz in Rom aufgestellt ist, finden sich aber auch Figuren, die gar nichts mit der Geburt Jesu zu tun haben. Das ist in Italien nicht ungewöhnlich.
Die Krippe vor dem Petersdom ist einer rauen Höhle nachempfunden, an der Steinwand die Andeutung abblätternder Fresken. Neben Maria und Josef steht darin Franz von Assisi. Er ist nicht nur Namensgeber des aktuellen Papstes, sondern steht auch für den Beginn der bis heute lebendigen Krippen-Tradition, wie der Vatikan erklärt: "Vor genau 800 Jahren hatte der heilige Franz von Assisi im italienischen Greccio eine lebende Krippe organisiert - dies gilt als Geburtsstunde der Krippen."
An diese Weihnachtsfeier 1223 im kleinen Ort Greccio nördlich von Rom erinnert das diesjährige Arrangement des Vatikans. Darin auch zu sehen: der damalige Bürgermeister von Greccio, Giovanni Velita, und dessen Frau Alticama.
Die lebensgroßen Figuren hat der neapolitanische Bildhauer Antonio Cantone geschaffen. Neapel ist quasi die Hauptstadt, wenn es um Weihnachtskrippen geht. Und wenn es um das Hinzufügen von Personen geht, die dort eigentlich nichts zu suchen haben. In Neapels Via San Gregorio Armeno reiht sich eine Krippenwerkstatt an die andere, die Auslagen mit den kleinen Figuren säumen den engen Weg. Hier zeigt sich, dass Weihnachtskrippen in Italien eine ganz eigene Tradition haben, dass sich dabei das Sakrale mit dem Profanen vermischt. Dass es für die Krippe kaum Regeln gibt. Oder andere, als man denkt.
Am Arbeitsplatz, in Schulen oder auf Plätzen und vor allem in den eigenen vier Wänden werden die Krippen in Italien meist am 8. Dezember, dem Tag Mariä Empfängnis, aufgestellt. Sie bleiben bis zum 6. Januar stehen. Nicht selten gesellen sich unter die Krippenfiguren dabei auch Fußballlegenden wie Maradona oder Lionel Messi, Popstars wie Elton John oder Tiziano Ferro und Politiker.
In diesem Jahr sei der vor wenigen Monaten verstorbene Ex-Premier Silvio Berlusconi wieder hoch im Kurs, erzählte Marco Ferrigno, einer der bekanntesten Figurenhersteller aus Neapels Krippengasse, der italienischen Nachrichtenagentur Adnkronos. Auch die aktuelle Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sei als Krippenfigur beliebt, aber "ohne den geringsten Zweifel ist Jannik Sinner am gefragtesten", sagte Ferrigno. Der italienische Tennisspieler hat erst vor kurzem den Davis-Cup gewonnen.
Die Tradition der neapolitanischen Krippe reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Damals waren die dargestellten Szenen ein Abbild dessen, wie sich reiche Adelsfamilien das Leben der einfachen Leute vorgestellt haben. Daher tummelten sich in den Ställen auch Pizzabäcker, Weinbauern oder Metzger. Früher zählte selbst der Teufel zum üblichen Krippenpersonal. Gut und Böse vereinten sich in den Darstellungen.
Im Vatikan sind neben der Krippe auf dem Petersplatz in diesem Jahr noch rund andere 100 Krippen in einer Ausstellung unter den Kolonnaden zu sehen, von klassisch bis kurios. Unter anderem die "Wander-Krippe", die der römische Künstler Christian Apreda in einen blauen Fiat Fiorino gebaut hat. Oder eine Krippe, die in einem Weinfass Platz gefunden hat.
Die Krippen sind aber auch ein Spiegel ernsthafter Gesellschaftskritik. In Italien sieht man in diesem Jahr viele Figuren, denen ein roter Schwung unter das Auge gemalt wurde - das Zeichen für den Protest gegen Gewalt gegen Frauen. Das Thema ist sehr präsent: Nach dem Mord an der Studentin Giulia Cecchettin waren Ende November in Rom 500.000 Menschen bei einer Demonstration auf die Straße gegangen. Sie war erstochen worden, ihr Freund hat gestanden.
Auch Papst Franziskus zieht Parallelen in die heutige Zeit, richtet seinen Blick dabei nach Nahost. Während der Enthüllung der Szene auf dem Petersplatz sagte er, die Betrachtung einer Krippe solle "in uns die Sehnsucht nach Stille und Gebet in unserem oft so hektischen Alltag wecken". Es gehe darum, die Menschen dazu anzuregen, angesichts des andauernden Krieges zwischen Israel und der Hamas an die Menschen im Heiligen Land zu denken und für sie zu beten.