Es dauert einige Momente, bis Paula Ritter die Tür öffnet. Die 89-Jährige ist langsam zu Fuß. Seit einigen Monaten ist sie auf einen Rollator angewiesen. "Sie kommen immer, wenn ich mir gerade die Haare mache", sagt die 89-Jährige und lacht.
Vor der Tür steht Veronika Widmann. Die ehrenamtliche Helferin engagiert sich seit eineinhalb Jahren bei der "Kümmerei", einer Initiative im bayerischen Sulzberg, die Seniorinnen und Senioren mit Essen beliefert. Heute gibt es Pasta mit Tomatensoße, Feta und Oliven. Ritter bittet Widmann herein und setzt sich.
"Und was macht der Blutdruck?", fragt Widmann. Die beiden unterhalten sich über Kinder und Enkel, über Ausflüge der Kümmerei und über andere Senioren im Ort. "Es tut gut, jemanden zum Reden zu haben", sagt Ritter. Sie ist dankbar für das Angebot der Kümmerei. "Ich habe früher selbst sehr viel und gerne gekocht", sagt sie. "Vor allem für meine Enkel, wenn sie nach der Schule nach Hause kamen." Heute lasse ihre Gesundheit das nicht mehr zu.
Ritter hat vier erwachsene Kinder, zehn Enkelkinder und fünf Urenkel. Alle wohnen mehr oder weniger in der Nähe. Besuch bekomme sie daher häufig. Ob sie sich dennoch manchmal einsam fühlt? "Ja, gerade an den Feiertagen", sagt sie. Manchmal feiere sie mit ihrer Familie. Doch nicht immer funktioniere das.
In der Adventszeit gab es beim Seniorentreff der Kümmerei Kaffee und Kuchen, eine der Ehrenamtlichen spielte Gitarre und stimmte mit ruhigen, besinnlichen Weihnachtsliedern auf die festlichen Tage ein. Ritter geht gerne zu dem Treff. "Dann komme ich auch mal wieder raus."
Einsamkeit ist ein zunehmendes Problem, beobachtet Helmut Kneppe, Vorstandsvorsitzender des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA). "Einsamkeit ist ein Zukunftsthema", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Rund 40 Prozent der Haushalte seien Singlehaushalte. Hinzu komme, dass jetzt die Generation der Babyboomer in den Ruhestand wechselt.
22 Prozent der über 75-jährigen sind einsam
Laut einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2021 fühlen sich 22 Prozent der befragten Älteren häufig oder zumindest hin und wieder einsam. Ein Zustand, gegen den etwas getan werden müsse, sagt Kneppe. "Angesichts einer zunehmend individualisierten und digitalen Gesellschaft müssen wir Konzepte entwickeln, die das Wir stärken."
Die Kümmerei in Sulzberg bietet verschiedene Veranstaltungen an, die Menschen zusammenbringen sollen, sowie eine App, unter der sich Senioren melden können, wenn sie jemanden zum Reden brauchen oder Hilfe benötigen, etwa beim Einkauf oder bei Arztterminen. "Es gibt hier aber auch sicherlich Barrieren. Niemand gibt gerne zu, dass er einsam ist", sagt Widmann, die sich seit eineinhalb Jahren ehrenamtlich bei der Kümmerei engagiert. "Ich helfe immer montags. Seit meiner Rente habe ich Zeit dafür", sagt die 69-Jährige.
Claudia Ammedick-Naumann ist eine der Initiatorinnen der Kümmerei. "Die Idee einer Nachbarschaftsinitiative hat sich vor zwei Jahren ergeben und wurde vom Seniorenbeauftragten der Gemeinde, Manfred Herb, ins Leben gerufen. Seitdem arbeiten wir daran, das Angebot stetig auszubauen", sagte sie dem epd. Inzwischen engagieren sich bei der Nachbarschaftsinitiative rund 40 Ehrenamtliche, sie werden "Kümmerer" genannt.
Auch in anderen Städten in Deutschland haben es sich Initiativen zur Aufgabe gemacht, der Einsamkeit an den Feiertagen entgegenzuwirken. So auch der Verein "Wege aus der Einsamkeit", der am ersten Weihnachtsfeiertag zu einem digitalen Zoommeeting mit Musik, Kurzgeschichten und Spielen einlädt. Interessente können sich per E-Mail anmelden.
Auch das Projekt "Keine(r)BleibtAllein", eine Informationsplattform über Einsamkeit und Alleinsein für junge Erwachsene und Menschen mittleren Alters, bringt an den Feiertagen Menschen zusammen. Dort können sich sowohl mögliche Gastgeber als auch Gäste, die Gesellschaft suchen, melden. Damit die besinnlichen Weihnachtsfeiertage nicht stiller werden als gewollt.