Aus Stoff genäht in ganz klein und ganz groß, als Schokoladengestalt und auf Taschen genäht, in Mützen gestrickt - und live in menschlicher Gestalt. Die allgegenwärtigen Weihnachtsmänner überspielen leicht das biblische Personal wie Maria, Josef und Jesus - oder ersetzen es gleich ganz.
Wie eigentlich sind die Weihnachtsmänner, Schlitten und Rentiere und manchmal auch noch ganz andere weihnachtliche Wesen wie die putzigen Wichtel auf die so typisch deutschen und damit ja auch typisch christlich geprägten Weihnachtsmärkte geraten? So fest wie sie alle im Sattel zu sitzen scheinen, liegt die Frage nahe: Kommen Weihnachtsmann & Co. auch in der Bibel vor? Und dann war da noch die Sache mit dem Getränkekonzern Coca-Cola, dessen Marketingabteilung erst im 20. Jahrhundert den Weihnachtsmann "erfunden" haben soll. Viele Fragen und eine große Anziehungskraft rund um einen rot gekleideten weißbärtigen Protagonisten, so viel steht fest. Aber der Reihe nach.
Die Frage nach der Erwähnung eines Weihnachtsmannes in der Bibel ist ganz klar mit Nein zu beantworten. Wenn es aber darum geht, nach einem christlichen Ursprung des Weihnachtsmannes zu fragen, dann hallt ein kräftiges "Jein" durch den Winterwald. Im Weihnachtsmann vereinen sich verschiedene Traditionen. Oder sind sie doch nicht unterschiedlich?
Beginnen wir traditionell: Der Weihnachtsmann hat eine sehr feste Verbindung zur christlichen Tradition. Denn er ist ein Abbild des historisch belegten christlichen Märtyrers und legendär aufgewerteten Bischofs Nikolaus von Myra (heutige Türkei) aus dem vierten Jahrhundert. So soll er drei Jungfrauen nachts beschenkt haben. Darum stellen Kinder am Vorabend des 6. Dezember Stiefel auf, auf dass der Nikolaus sie bis zum Morgen fülle. Und auch der Predigttext des 6. Dezember, das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden (Matthäus 25,14-30) samt Befragung nach der ordentlichen Verwendung des erhaltenen Geldes, gab eine Richtung vor: Die Befragung von Kindern nach ihren guten und bösen Taten; auch in Form des Vorlesens aus einem goldenen Buch. Heute noch ist das Letztere halbernster Bestandteil mancher Betriebs- und Vereinsweihnachtsfeier. Zum Bischof gehörend: ein Bischofsmantel, ein Bischofsstab, eine Bischofsmütze.
Luther rückte die Geburt Jesu wieder in den Mittelpunkt
Martin Luther hat in Ablehnung der Heiligenverehrung Sankt Nikolaus durch das Christkind ersetzt - damit meinte er entweder das Jesuskind selbst oder einen christlichen Engel. Er rückte die biblische Geschichte von der Geburt Jesu im Stall von Betlehem wieder in den Mittelpunkt der Advents- und Weihnachtszeit. Darum verlegte die protestantische Reformation 1535 das Geschenkeverteilen vom 6. Dezember auf das Weihnachtsfest. Aber die Geschichte zeigt: Zumindest im Volksglauben fand sich der Nikolaus wieder und machte damit Doppeldienst.
Durch europäische Auswanderer kam die Tradition des Heiligen Nikolaus in die Neue Welt. Bis dahin, dass er Schutzpatron von New York wurde. Die niederländischen Kolonien feierten weiterhin das Sinterklaasfest, aus dem dann der in vielen Liedern des 20. und 21. Jahrhunderts besungene Santa Claus wurde – wie zum Beispiel "Santa Claus is coming to town".
Nun ist noch zu klären, warum in den Vereinigten Staaten Santa Claus nicht, wie es nahezuliegen scheint, ebenerdig und mit Bischofsmantel, Bischofsstab und goldenem Buch zu den Menschen kommt wie noch in Europa, sondern durch den Kamin purzelt, angereist auf Schlitten und Rentieren.
Dies ist so begründet: Das Bedeutungsprofil des Weihnachtsmanns verband sich im Volksglauben schier unaufhaltsam mit anderen spirituellen Einflüssen. Trotz bis heute immer wieder aufkeimender kirchlicher Apelle, die Traditionen doch auseinander zu halten. Es kamen, wie man früher sagte, "heidnische" Glaubenstraditionen hinzu. Das ist zum Beispiel das slawischen "Väterchen Frost", der vom Schneeflocken-Mädchen "Snegurotschka" begleitet ist. Der "Krampus" ist in Bayern und Österreich dem lieben Nikolaus als böser Begleiter an die Seite gestellt. Er ist inspiriert durch die keltischen Winteraustreiber, die "Perchten". Von ihnen leitet sich der Name des bekannten Knecht Ruprecht ab.
Skandinavische Tradition ist wirkungsstark
Sehr wirkungsstark in Sachen Weihnachtsmann: Die skandinavische Tradition des bärtigen alten Mannes, der die Menschen mit Rute und Nüssen auf die Winterszeit vorbereitet. In Finnland wird er als "Kouluoukki" bezeichnet. Er trägt übrigens einen braunen Mantel. In ihm verbergen sich Motive der nordischen Gottheiten Odin und Balder. Dazu kommen auch die nordischen Sagengestalten der Geschenke verteilenden Wichtel, in Dänemark wieder nach dem ursprünglichen Nikolaus benannt: Niels "Nissen".
Mit der skandinavischen Herkunft des Weihnachtsmannes ist auch der Schnee fest mit dem Weihnachten verbunden und der sehnliche Wunsch nach weißer Weihnacht. Ja, "I’m dreaming of a white Christmas", wie seit 1942 schon Bill Crosby singt, und mit Michael Bublé freuen wir uns auch aktuell am 1934 entstandenen "Winterwonderland". Und zum Schnee kommen dann die eindrücklichen Motive wie Schlitten mit Glocken und Rentiere als Zugtiere. Ach ja, Glocken – was wären Weihnachtspopsongs wie "Jingle Bells" (Bill Crosby) oder "All I want für Chrismas ist you" (Mariah Carey) ohne den Sound von Glocken?
Warum eigentlich Rentiere?
Dass ein skandinavisch geprägter und in der Winterzeit agierender Weihnachtsmann einen Schlitten als Fortbewegungsmittel nutzt, ist unmittelbar nachvollziehbar. Aber warum sind es eigentlich gerade Rentiere, die den Schlitten durch den Himmel ziehen? Sie kommen in Betracht, da sie die dominierenden Tiere Skandinaviens sind. Der Evolutionsbiologe Josef H. Reichholf ging sogar noch einen gewagten Schritt weiter. Er stellt in einem 2012 erschienenen Buch über Fabelwesen sogar eine Verbindung zu nordländischen Schamanen her, die bei ihrem Weihnachtsfest, dem Julfest, sich zur Wintersonnenwende mit Fliegenpilzen berauschten – und deren hallizogene Substanzen sollen Flug-Visionen erzeugen können. Und tatsächlich: Echte Rentiere futtern gerne Fliegenpilze, allerdings in irdisch verträglichen Portionen. Soweit man weiß.
1835 hat das Lied "Morgen kommt der Weihnachtsmann" von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben zur Erfolgsstory des Weihnachtsmanns in der modernen Welt erheblich beigetragen. Überhaupt, ab dem 19. Jahrhundert beginnt die große Zeit des Weihnachtsmannes in Festbild, Bewegtbild, Ton und Literatur. Das Gedicht aus dem Jahr 1823 "The Night bevor Christmas" schreibt den Mythos des Weihnachtsmannes fest, der mit einem Rentierschlitten durch den Himmel fliegt und durch die Kamine in die Häuser von Menschen kommt, um dort Geschenke zu verteilen.
Darin sind auch die Namen von acht Rentieren enthalten: Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Cupid, Donner, Blitzen und natürlich Rudolph. 1939 schuf Rovert L. May ein ganzes Gedicht über das Rentier Rudolf – der Rest ist Geschichte. Kaum eine Weihnachtsplaylist kommt ohne das Lied "Rudolph the Red Nosed Rindeer" von Johnny Marks aus. Auch das Firmenmarketing nahm bald die populärgewordene Gestalt des Weihnachtsmannes im roten Rock auf – von der Konfektwerbung für Sugar Plums 1868 über den Getränkehersteller White Rock Beverages, bis 1931 der Zeichner Haddon Sundblom für Coca Cola dem Nikolaus vollends das ikonisch gewordene Aussehen gab.
Und so sind rund um den Weihnachtsmann viele Traditionen zu einem – je nach Geschmack - relativ verträglichen Weihnachtskosmos zusammen gewachsen. Darin ist es fast immer möglich, eigene Prioritäten zu setzen, an manchen Punkten hin- oder wegzuschauen. Nostalgie, Tradition, verliebte Romantik, stille Einkehr? Das heißt auch, das Radio bei bestimmten Liedern an- oder abzuschalten: "Marys Boychild was born on Christmas Day" versus "Jingle Bells" oder gar "Last Christmas". Die Faszination der nordischen Sagenwelt, die ursprüngliche Rauheit der Winterlandschaften, die Rituale für eine heile Familienwelt, die bürgerliche Elementarisierung hin zu Romantik und einem Fest der Liebe. Dieses Konglomerat im Kern herzensguter Ideen gibt nach wie vor vielen Menschen Heimat. Der biblische Weihnachtsgeschichte ist darin faktisch eine von mehreren Traditionen.
Jedoch: Ganz bis in den Stall von Betlehem hinein hat es der Weihnachtsmann immer noch nicht geschafft. Darin findet nach wie vor die Geburt des rettenden Königs der Welt statt, in der überraschenden Gestalt eines armen Kindes. Und es sind die Heiligen Drei Könige, aus fernen Landen angezogen vom Leuchten des Sterns über Betlehem im römischen Palästina, die sich auf den Weg machen, um dem eigentlichen König der Welt ihre Geschenke zu bringen: Gold. Weihrauch und Myrrhe.