Für den Weihnachtsmann und das Christkind hat sie schon Tausende Briefe geöffnet: Seit 25 Jahren gehört die 85-jährige Meta Stielper zu den Ehrenamtlichen des Weihnachtspostamtes im niedersächsischen Himmelpforten bei Hamburg. Sie und die anderen sorgen dafür, dass Sendungen von Kindern aus aller Welt rechtzeitig vor dem Fest beantwortet werden. Dabei müssen sie gar nicht selten detektivisches Geschick beweisen.
Kopfzerbrechen bereiten Meta Stielper beispielsweise Briefe, die ohne konkrete Absender-Adresse in Himmelpforten eintreffen, weil Kinder eben mit großem Vertrauen an den Weihnachtsmann schreiben. "Du weißt ja, wo ich wohne - in Berlin, im siebten Stock, wo die Sterne am Fenster kleben", zitiert sie aus einem Schreiben.
In Fällen wie diesen beugen sich die Ehrenamtlichen im himmlischen Auftrag von Weihnachtsmann und Co. über den Brief und sammeln Indizien, um herauszufinden, wo das Schreiben wohl herkommen könnte. Die ganz harten Nüsse landen auf dem Tisch von Wolfgang Dipper (63), der das Weihnachtspostamt mit seinen fast 20 Ehrenamtlichen seit sieben Jahren leitet.
Völlig aus dem Rahmen fällt der sieben mal fünf Zentimeter kleine Umschlag, selbstgebastelt, ohne Briefmarke. Mit der Adresse "Wichtelstadt, Zipfelmützenstraße 1" ist er trotzdem in Himmelpforten angekommen. "Auch mit Adressen wie 'An das Christkind' oder 'Nordpol - An den Weihnachtsmann' haben uns schon Briefe erreicht", erinnert sich Dipper, der alles daran setzt, dass möglichst kein Brief unbeantwortet bleibt.
Und da ist viel zu tun. Im vergangenen Jahr gingen in den sieben deutschen Weihnachtspostfilialen rund 634.000 Briefe ein, allein 310.000 im brandenburgischen Himmelpfort. In Deutschlands ältestem Weihnachtspostamt Himmelpforten waren es etwa 28.000, oft liebevoll mit selbst gemalten Bildern geschmückt.
Wunschzettel mit Katalogbildern
Fast allen Briefen liegt ein Wunschzettel bei. "Früher wurde öfter geschrieben, heute werden immer wieder Katalog-Bilder der Wünsche aufgeklebt", erzählt Meta Stielper. Sie selbst hat als Kind der Kriegsgeneration zum Fest nie Geschenke bekommen: "Wir waren froh, wenn wir etwas zu essen hatten."
Elektronisches Spielzeug wie Konsolen oder Drohnen mit Kamera und auch Tiere vom Meerschweinchen über den Hund bis zum Pony - das sind dieses Jahr die Renner auf den Wunschzetteln. Dazu kommen Klassiker wie Kuscheltiere, Lego-Steine und Barbie-Puppen.
Manchmal geht es aber auch um Dinge, die für kein Geld der Welt zu haben sind. "Schnee, Schnee, Schnee", erzählt Meta Stielper und blickt mit einem Lächeln aus dem Fenster, wo die Flocken Himmelpforten ausnahmsweise in ein Weihnachts-Wunderland verwandelt haben.
Sie erinnert sich auch an den Brief einer jungen Frau, die sich über einen Mann freuen würde. Lina, neun Jahre alt, wünscht sich, "dass meine Freunde gesund bleiben". Für die dreijährige Ida hat ihre Mutter geschrieben: "Ich wünsche mir, dass alle auf dieser Welt friedlich Weihnachten feiern können."
Oma wohnt jetzt bei dir
Ein 60-jähriger Rentner hätte gerne Briefkontakte. Ein Kind schreibt vom Tod der Großmutter und bittet den Weihnachtsmann: "Oma wohnt jetzt bei Dir, grüß sie mal." Und immer wieder tauchen Fragen auf, die die Kinder bewegen: Gibt es den Weihnachtsmann wirklich? Wie geht das mit dem Fliegen? Wie alt ist der Mann mit dem Rauschebart?
Besonders berührt ist Wolfgang Dipper von Briefen, in denen es beispielsweise um den Verlust des Arbeitsplatzes oder die Krebserkrankung der Eltern oder eines Kindes geht. "Wir haben zwei Frauen, die bei Themen wie diesen handschriftlich antworten." Das gelinge manchmal erst nach einigen Tagen Bedenkzeit. "Da ist es nicht einfach, die richtigen Worte zu finden. Aber wichtig ist, dass die Schreibenden das Gefühl haben, dass jemand ihre Sorgen gesehen hat."
Was da geantwortet wird? Briefgeheimnis. Die Mehrzahl der Zusendungen wird aber mit einem Vordruck beantwortet, anders wäre die große Zahl auch gar nicht zu bewältigen. Dabei helfen nicht nur in Himmelpforten, sondern auch im niedersächsischen Nikolausdorf, im saarländischen St. Nikolaus und im bayerischen Himmelstadt Ehrenamtliche. In den anderen Orten sind es von der Post engagierte und bezahlte Kräfte.
Die Jüngste im Team von Wolfgang Dipper ist die 29-jährige Ronja Siems, seine Tochter. Sie kümmert sich um die internationalen Zuschriften, die oft aus Asien kommen, etwa aus China, Taiwan und Malaysia. "Das sind meist Studierende, die größtenteils auf Deutsch schreiben und ihre Sprachkenntnisse vertiefen wollen", sagt Siems. Aber eben nicht nur, ergänzt sie: Die besondere Atmosphäre rund um das Fest der Feste spiele ebenfalls eine Rolle: "Es geht auch um die Magie dahinter."