Nach Ansicht des evangelischen Sozialethikers Peter Dabrock sei schnell die Rede von einem "Vertuschungsverdacht" gewesen. "Die Medien haben Druck aufgebaut - und viele in der Kirche haben sich davon treiben lassen. Das war ein Fehler", sagte Dabrock.
"Es wäre besser gewesen, ein oder zwei Wochen zu warten und die Vorwürfe in Ruhe zu besprechen, als hektisch und unter dem Stress der mit etlichen Themen überfrachteten Synode zu agieren", ergänzte der Theologieprofessor und frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. Kurschus war am Montag von ihren Ämtern als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und als Präses der westfälischen Landeskirche zurückgetreten.
Hintergrund für den Rücktritt sind Vorwürfe gegen Kurschus, sie sei nicht transparent mit einem mutmaßlichen Fall sexualisierter Gewalt umgegangen. Im Mittelpunkt des Falls steht ein ehemaliger Kirchenmitarbeiter aus Kurschus' altem Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein, der junge Männer sexuell bedrängt haben soll. Die "Siegener Zeitung" hatte unmittelbar vor und während der EKD-Synode in der vergangenen Woche über den Fall berichtet.
Am Dienstag vergangener Woche nahm Kurschus auf der Bühne der Synode in Ulm Stellung zu der Berichterstattung. Die gegen sie gerichteten Vorwürfe wies sie zurück. Nach diesem Statement berichteten auch weitere Medien über den Fall.
Kurschus habe "kommunikativ sicher nicht alles richtig gemacht", sagte Dabrock. Daraus den Schluss zu ziehen, "alles Vertrauen sei dahin", halte er für nicht in Ordnung. "Da hätte ich von meiner Kirche, gerade auch in den Leitungsgremien, mehr erwartet", sagte er.
In der Institution hätte es noch Möglichkeiten gegeben, Kurschus besser zu unterstützen, ergänzte Dabrock. "Stattdessen hat man sich auf den polarisierenden Medienzirkus eingelassen und nachgegeben, wo der öffentliche Druck zu einer Art Subjekt und zur Legitimierungsstrategie aufgebauscht wurde, um sich zu distanzieren", sagte er.