Foto: epd-bild/Debbie Hill
Eine palästinensische Polizistin geht am 18.10.2012 in Ramallah im Westjordanland mit ihrem Wahlzettel für die Kommunalwahl zu einer Wahlkabine.
Wahl in Palästina: Quoten für Frauen und Christen
Die Palästinenser haben erstmals seit 2006 wieder die Möglichkeit zu wählen. Im Westjordanland können sie an diesem Samstag über Kommunalvertretungen entscheiden. Die radikalislamische Hamas boykottiert die Kommunalwahl.
20.10.2012
epd
Susanne Knaul

Die Wahlveranstaltung in Beit Jalla im Westjordanland kommt nur zäh in Gang. Die "Demokratische Union", die gemeinsame Liste der "Palästinensischen Front zur Befreiung Palästinas" (PFLP) und der Kommunistischen Partei, hat die Frauen in der Stadt eingeladen zum Gespräch mit Issa Abu Ghannam. Nach und nach treffen die potenziellen Wählerinnen in der Zentrale der PFLP vis-á-vis vom Friedenspark der Stadt ein. Etwa 30 sind es, die der 70-jährige Bürgermeisterkandidat begrüßt. "Frauenpolitik", sagt der ehemalige Schuldirektor, "wird bei uns ganz groß geschrieben."

Zum ersten Mal seit sechs Jahren können die Palästinenser ihre Stimme abgeben, wenn an diesem Samstag im Westjordanland Kommunalwahlen stattfinden. Allerdings werden nur 94 neue Orts-, Gemeinde- und Stadträte gewählt. In 181 Kommunen bewirbt sich nur eine Liste, dort entfällt der Urnengang. Für 78 weitere Dörfer soll es wegen des Fehlens einer Liste Ende November einen zweiten Wahltermin geben. Die Hamas boykottiert die Wahl. Im Gazastreifen wird nicht gewählt.

Kommunalwahlen seit drei Jahren überfällig

Issa Abu Ghannam rechnet sich Chancen aus. In den meisten Gemeinden ist die Sperrklausel von acht Prozent für den Einzug in die Rathäuser für seine Partei nicht zu schaffen. Beit Jalla gilt jedoch als eine Hochburg der radikalen Linken. Er werde der nächste Bürgermeister in der überwiegend christlichen Stadt, gibt sich Abu Ghannam überzeugt.

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Nach der Frauenquote, die besagt, dass ein Fünftel aller Sitze für Frauen reserviert sind, werden zwei Frauen dem neuen Stadtrat von Beit Jalla angehören. Der Frauenanteil auf den Listen liegt durchschnittlich bei 25 Prozent. In neun Gemeinden mit christlichem Ursprung gibt es zudem eine Quote für Christen. In Ramallah gilt die christliche Bürgermeisterin Janet Mikhail als Favoritin. Neu ist die Listenwahl, was unabhängigen Kommunalpolitikern den Weg ins Rathaus versperrt. Die Namen der Kandidaten erscheinen nicht auf dem Stimmzettel, dennoch werben die Parteien auf ihren Plakaten mit den Gesichtern der lokalen Politiker.

Unter den Palästinensern macht sich Frustration breit über die marode Wirtschaftslage, über den Stillstand bei den Friedensgesprächen und über die Palästinensische Autonomiebehörde, die daran scheiterte, eine nationale Versöhnung zwischen der Fatah im Westjordanland und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen herbeizuführen. Vor drei Jahren schon hätten Kommunalwahlen abgehalten werden müssen. Auch die Amtszeit von Palästinenserpräsident Machmud Abbas und seinem Parlament ist längst abgelaufen. Immer wieder verzögerte der Streit zwischen Fatah und Hamas die Abhaltung von Kommunalwahlen.

An Problemen fehlt es nicht

Abu Ghassam findet es schade, dass die Hamas nicht mitmacht, trotzdem sei es wichtig, dass die Bürger endlich wieder ihr demokratisches Wahlrecht ausüben dürfen. Der Bürgermeisterkandidat setzt auf mehr Mitwirkung von Jugendlichen in der Stadt. Es soll einen "Rat der Jugend" geben. "Wir müssen die jungen Leute und die Frauen mobilisieren, damit sie ihr Leben in der Stadt mehr selbst mitgestalten", sagt er. Dazu gehöre auch der Aufbau von Kleinstunternehmen und Familienbetrieben. "Die Frauen könnten zu Hause Pilze anbauen. Die sind hier sehr teuer und leicht zu ziehen", rät der Kandidat.

Was den Wahlbeteiligung dämpfen könnte, sind die begrenzten Kompetenzen der Kommunalparlamente. Das politische System in den Palästinensergebieten ist zentralistisch. Die Autonomiebehörde verfügt über die zumeist aus dem Ausland fließenden Gelder. Abu Ghannam schweben unabhängige Verbindungen zu den Geldgebern vor, um lokale Projekte und Initiativen zu finanzieren. Besonders die im Exil lebenden Palästinenser aus Beit Jalla sieht er gefordert, in die Tasche zu greifen. Von seinen eigenen sechs Kindern leben fünf im Ausland.

Die Stadt werde Schirmherr sein und für eine bessere Koordination unter den Bürgerinitiativen sorgen, verspricht Abu Ghannam. Die Initiativen sollten sich an den örtlichen Bedürfnissen und nicht an den Wünschen potenzieller Geldgeber orientieren. Dass das Ergebnis der Wahlen ein Indikator für das Kräfteverhältnis landesweit sein könnte, findet der Lokalpolitiker nicht. "Es geht hier nicht um die großen Themen", sagt er und räumt ein, selbst "kein Politiker, sondern Manager" zu sein. "Wir sind für die Dienstleistungen zuständig." An Problemen bei Wasser- und Stromversorgung, Müllabfuhr und Verkehrswegen, die von den Kommunalparlamenten zu bearbeiten sind, fehlt es nicht.