Geboren am 14. Februar 1963 im hessischen Rotenburg an der Fulda und aufgewachsen in einem Pastorenhaushalt studierte Annette Kurschus erst drei Semester Medizin, bevor die kleine Frau mit den hellblauen Augen zur evangelischen Theologie wechselte.
Nach Studienjahren in Bonn, Marburg, Münster und Wuppertal folgten Vikariat und 1993 die erste Pfarrstelle in Siegen. 2001 stieg sie zur Stellvertreterin des Superintendenten auf, bevor die kinderlose Kurschus, die nicht verheiratet ist, 2005 selbst Siegener Superintendentin wurde.
2011 wurde sie zur Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen gewählt, führt seitdem als leitende Geistliche die mit rund zwei Millionen Mitgliedern viertgrößte der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. In diesem Amt trat die Theologin erstmals bundesweit ins Rampenlicht, als sie im April 2015 im Kölner Dom predigte. Im Trauergottesdienst für die Opfer des Absturzes eines Germanwings-Flugzeuges, bei dem 150 Menschen starben, fand sie viel beachtete, tröstende und Hoffnung stiftende Worte.
Ein halbes Jahr später wurde Kurschus zur stellvertretenden Ratsvorsitzenden der EKD, sechs Jahre später als Nachfolgerin von Heinrich Bedford-Strohm schließlich zur obersten Repräsentantin der 19,7 Millionen Protestanten in Deutschland gewählt. Schon in der Wahlsynode machte sie klar, dass sie stärker geistlich-theologisch wirken will als ihr Vorgänger.
Kurschus war außerhalb der evangelischen Kirche bislang kaum in Erscheinung getreten. Ihre Konzentration auf den Kern der christlichen Botschaft und ihre beharrliche Weigerung zu vereinfachen standen der medialen Aufmerksamkeit entgegen. "Mich beschäftigt, wie wir bekannter und attraktiver machen können, was wir zu sagen haben", räumt Kurschus ein, die Chorgesang und Cellospiel zu ihren Hobbys zählt.
Was innerkirchlich meist als gut protestantisches Abwägen geschätzt wurde, wertete ihr nahes Umfeld bisweilen auch als Scheu vor Konflikten. So wurde Kurschus zwar nicht müde, Waffenlieferungen in die Ukraine zum Schutz der Angegriffenen als notwendig darzustellen und sich dabei gegen den Protest rund um den EKD-Friedensbeauftragten Friedrich Kramer zu stellen. Zugleich blieb aber eine Positionierung der EKD unklar - angesichts der Vielstimmigkeit in der evangelischen Kirche.