Wir wissen noch nicht, was genau vorgefallen ist. Was damals in Siegen passierte, wird gerade von der dortigen Staatsanwaltschaft ermittelt. Was wir wissen: Annette Kurschus wird vorgeworfen, bereits vor einer anonymen Anzeige Kenntnisse im Zusammenhang mit einem mutmaßlichen Missbrauchsfall in ihrem damaligen Kirchenkreis gehabt zu haben. Sie selbst sagt, sich nicht daran erinnern zu können. Auch ist bekannt: Sie war nicht Pfarrerin in der Gemeinde des Beschuldigten und ihm auch nicht vorgesetzt. Kurschus betonte vor wenigen Tagen auf der Synode der EKD in Ulm, dass diese Vorwürfe von unabhängiger Seite aufgeklärt werden sollen und müssen.
Ein Vorwurf steht im Raum. Dieser Vorwurf kann nicht kurzfristig entkräftet werden, da er Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen ist. In der Zwischenzeit wurde und wird auch weiterhin in den Medien viel spekuliert. Dies schadet der Glaubwürdigkeit der Evangelischen Kirche in Deutschland im Hinblick auf die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der evangelischen Kirche. Diese Aufklärung wurde von der damals im November 2021 neu gewählten EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus zur "Chefinnensache" erklärt und von ihr auf der Synode der EKD erneut bekräftigt. "Unsere Kirche steht dafür, dass die Betroffenen im Mittelpunkt stehen ", sagte Kurschus.
Dass, um glaubwürdig Kirche sein zu können, auch ein entschiedener und transparenter Umgang mit der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt notwendig ist, hat erst vor wenigen Tagen auch die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich, in ihrem Bericht vor der Synode der EKD betont. Heinrich ist auch Mitglied des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt. Das Beteiligungsforum fordert eine klare, lückenlose und unabhängige Aufklärung in diesem Fall, wobei grundsätzlich gelte, dass man den Aussagen von Betroffenen sexualisierter Gewalt Glauben schenke und diese nicht in irgendeiner Art und Weise in Zweifel ziehe.
Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen brauchen Zeit und damit würde die Person Annette Kurschus auch immer wieder in den Medien und auch in der öffentlichen Meinung in diesen Zusammenhang gestellt werden. Die Glaubwürdigkeit der evangelischen Kirche in ihrem Umgang mit sexualisierter Gewalt drohte dadurch unweigerlich Schaden zu nehmen. Deshalb ist es gut, dass Annette Kurschus die Verantwortung übernommen und ihr Amt als Ratsvorsitzende der EKD und ihr Amt als Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen niedergelegt hat, um die Aufarbeitung nicht zu erschweren.