Der Bremer Obdachlosen-Seelsorger Harald Schröder
© epd-bild/Dieter Sell
Obdachlosen-Seelsorger Harald Schröder in der Bremer "Winterkirche", die armen Menschen einen Platz zum Aufwärmen bietet.
Obdachlosen-Seelsorger
Betteln ist mit großer Scham verbunden
Das Betteln ist nach den Erfahrungen des Bremer Obdachlosen-Seelsorgers Harald Schröder mit großer Scham verbunden.

"Du machst dich seelisch nackt", sagte der Sozialarbeiter und Diakon dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er rät gerade jetzt in der kalten und nassen Jahreszeit dazu, auf die Bitten bettelnder Menschen einzugehen: "Da, wo das Herz aufgeht, wo das Gefühl 'ja' sagt, da gebe ich etwas. Nicht gerechtfertigt sind dann aber Auflagen nach dem Motto: Bitte nicht vertrinken."

Ein Großteil der Menschen, die auf der Straße "Sitzung" machen, wie es in der Szene heißt, ist Schröder zufolge unversorgt und in Not, und zwar aus ganz unterschiedlichen Gründen. "Viele beziehen kein Bürgergeld. Das trifft beispielsweise auf einen Großteil der europäischen Mitbürger zu, die hier sind und die keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben." Andere seien gesperrt oder nicht in der Lage, Bürgergeld zu beantragen, weil Dokumente fehlten. "Manche schaffen es auch psychisch nicht." Für einige sei das Betteln etwas, was den Tag strukturiere.

Von denjenigen, die aggressiv und als Teil der viel gescholtenen "Bettelmafia" um Geld nachsuchten, gebe es nur wenige. "Ein großer Teil der Leute sitzt meist still und in sich zusammengesunken auf der Straße." Einige säßen ganz gebückt. "Damit du ihnen nicht noch in die Augen, in die Seele schauen kannst, weil das für die Bettelnden nicht auszuhalten ist."

Ein umkämpfter Markt auf der Straße

Andere versuchen es Schröder zufolge offensiver und sprechen Passanten an: "Um Geld bitten ist ja auch ein hart umkämpfter Markt auf der Straße." Manche seien dabei kreativ, tingelten beispielsweise mit ihren Sandhunden durch die Städte. "Die bieten dann eine Leistung an, auch die, die eine Straßenzeitung verkaufen."

Kritisch sieht Schröder, wenn nur Kupfergeld gespendet wird - Ein-, Zwei- und maximal Fünf-Cent-Münzen. Das könne kaum umgetauscht werden. "Und in Geschäften wird Kupfer oft gar nicht erst angenommen." Legendär sei in Bremen ein Mann aus Österreich, der es aufgrund seiner psychischen Situation nicht schaffe, in Sozialleistung zu kommen und der 35 Kilo Kupfer gesammelt habe: "Das wird er einfach nicht los."

Wichtig sei es, bettelnde Frauen und Männer nicht als Menschen zweiter Klasse zu behandeln. So sei das ungefragte Zustecken etwa von Nahrungsmitteln ein No-Go. "Vielleicht mag er oder sie das gar nicht, verträgt es nicht oder kann es nicht beißen, weil die Zähne kaputt sind. Ich kann ein Angebot machen, ja: Ich hol’ mir gleich einen Kaffee, darf ich Ihnen einen mitbringen? Dann kann die Person darauf antworten."

Der evangelische Seelsorger rät, auf Augenhöhe mit den Menschen auf der Straße zu sprechen. "Also runter, in die Knie. Sonst ist das ein oben-unten-Verhältnis." Zugleich dürfe man natürlich emotionale Distanz wahren. "Es geht darum, die Würde der Person zu respektieren. Vor uns sitzt ein Mensch."