Nach monatelangem Tauziehen haben sich Bund und Länder auf eine neue Verteilung der Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen geeinigt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschef:innen der Länder vereinbarten in der Nacht zu Dienstag in Berlin, dass der Bund ab 2024 pro Schutzsuchendem künftig eine Pauschale von 7.500 Euro im Jahr zahlen wird. Sein finanzieller Beitrag wird damit abhängig von der Zahl der Flüchtlinge.
Zudem sollen die Sozialleistungen für Flüchtlinge reduziert werden.
Asylbewerber im laufenden Verfahren, die bislang nach 18 Monaten Anspruch auf Bürgergeld haben, sollen künftig doppelt so lange, nämlich 36 Monate, nur die niedrigeren Asylbewerberleistungen erhalten. Zudem sollen anerkannte Schutzberechtigte, Flüchtlinge aus der Ukraine und Geduldete nach Ablauf dieser Zeit künftig zur Verpflegung "nur diejenigen Leistungen erhalten, die sie wirklich benötigen", wenn sie in Einrichtungen mit Gemeinschaftsverpflegung untergebracht sind.
Bund und Länder beschlossen darüber hinaus die Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge, die voraussichtlich das Verfügen über Bargeld einschränken wird. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll hierfür bis Ende Januar 2024 ein Modell erarbeiten.
Länder werden mit rund 3,5 Milliarden Euro entlastet
Der Bund rechnet durch diese Änderungen mit Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro für Länder und Kommunen. Zusammen mit der künftigen Pro-Kopf-Pauschale des Bundes würden Länder und Kommunen im kommenden Jahr insgesamt in einer Höhe von rund 3,5 Milliarden Euro entlastet, heißt es im Beschlusspapier.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) äußerte sich zufrieden über die Einigung. Dadurch würden nicht nur Länder und Kommunen entlastet, sondern auch "die Anziehungskraft des deutschen Sozialstaats reduziert", schrieb er auf X (vormals Twitter).
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kritisierte die Beschlüsse als unzureichend. Im "Morgenmagazin" der ARD begrüße er die geplante finanzielle Entlastung der Kommunen. Das Beschlusspapier reiche jedoch "natürlich bei Weitem nicht aus, um die illegale Migration in Deutschland einzudämmen". Linnemann forderte erneut Asylverfahren in Drittstaaten. "Wir brauchen einen Systemwechsel, dass nur noch die Menschen kommen, die bereits einen positiven Asylbescheid haben", sagte er.
Der Leipziger Oberbürgermeister und Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Burkhard Jung (SPD), reagierte enttäuscht auf die Einigung. Die beschlossene Kopf-Pauschale pro Flüchtling sei zwar positiv, weil sie finanzielle Sicherheit gebe, sagte Jung im Deutschlandfunk. 7.500 Euro seien aber "deutlich zu wenig". Zudem erneuerte Jung seine Forderung, die Kommunen künftig an den Beratungen zur Flüchtlingspolitik zu beteiligen, da sie die Leistungen vor Ort organisieren müssten. "Wir gehören an den Tisch", betonte er.
Der Linken-Fraktionschef im Bundestag, Dietmar Bartsch, sprach von einer "Runde der Enttäuschungen" und forderte höhere Steuern für Superreiche als Beitrag zur Finanzierung der Flüchtlingskosten. "Die Kosten sollten nicht länger vom normalen Steuerzahler getragen werden", sagte Bartsch dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland". Höhere Steuern für Milliardäre und Multimillionäre seien nicht zuletzt zur Bewältigung der Flüchtlingskrise notwendig. "Das wäre auch ein Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden", sagte der Linken-Politiker.
Bischof Stäblein kritisiert Fokus auf Abschiebungen
Der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Stäblein, hat davor gewarnt, die Debatte über Asyl und Migration auf das Abschieben von Menschen zu verengen. Es gehe um Schicksale von Menschen, die nicht kämen, "weil sie gerade Lust dazu hatten, sondern weil sie in aller Regel in größter Not Schutz suchen", sagte er am späten Montagabend in der ARD-Sendung "hart aber fair".
Der Berliner Bischof kritisierte Vorschläge, Asylverfahren in Drittstaaten zu verlagern. Wenn das Elend der Betroffenen dadurch noch größer werde, könne das einen "Anti-Effekt auch im Blick auf die Stimmung in unserem Land haben", sagte er unter Hinweis auf Zustände wie etwa im Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Nötig sei deshalb große Achtsamkeit in der Diskussion.