Es sind die Außenseiter, die hier begraben sind: "Cimitero acattolico" (nicht-katholischer Friedhof) heißt die Begräbnisstätte in Rom, früher wurde sie "protestantischer Friedhof" genannt. Der englische Dichter John Keats, Goethes Sohn August oder der italienische Politiker Antonio Gramsci haben inmitten von Pinien und Zypressen ihre letzte Ruhe gefunden - sie alle eint: Sie sind nicht katholisch. Die ersten Beerdigungen fanden Anfang des 18. Jahrhunderts noch außerhalb der Stadtmauern statt. "Der Friedhof zeigt auch so ein bisschen die Fremdheit der Protestanten in Rom", sagt Michael Jonas, der an diesem sonnigen Herbsttag auf den "Cimitero acattolico" gekommen ist. Er ist Mitglied im Vorstand des nicht-katholischen Friedhofes. Aber vor allem ist er seit fünf Jahren der Pfarrer einer ganz besonderen Gemeinde.
Quasi am anderen Ende der Stadt steht deren Kirche, die evangelisch-lutherische Christuskirche. Sie sei ein "freundlicher Begegnungsort für Gläubige aller Konfessionen; ein Raum, wo die Liebe regiert", hatte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, zur Feier des 100-jährigen Bestehens der Kirche im vergangenen Sommer gesagt.
Mehrere Päpste haben die Kirche bereits besucht. 2018 wurde Michael Jonas, zuletzt Pfarrer in Schramberg im Schwarzwald, von der EKD nach Rom entsandt. Nachdem er, das ist ihm wichtig, aus drei vorgeschlagenen Kandidaten von der Gemeinde gewählt worden war.
Eine protestantische und noch dazu deutschsprachige Gemeinde - mit diesen beiden Merkmalen lebt man in Rom, dem Herrschaftszentrum der katholischen Kirche, quasi in der doppelten Diaspora. "Aber genau das macht es spannend und interessant", sagt Jonas. Seine Gemeinde hat etwa 500 Mitglieder, die meisten leben in Rom, zum Einzugsgebiet zählen aber die gesamte Region Lazio, plus Umbrien und Sardinien.
Viele Kirchgänger sind nicht lange in Rom. Sie kommen - wie Jonas auch - wegen der Arbeit, werden entsandt, bleiben vielleicht zwei oder drei Jahre. "Man muss es schaffen, schnell Beziehungen aufzubauen und darf andererseits nicht gekränkt sein, wenn diese nach kurzer Zeit wieder enden", erzählt der 47-Jährige. Jonas ist sich der Gratwanderung bewusst: "Ich muss es kommunikativ irgendwie schaffen, einladend zu sein, ohne die Leute zu bedrängen."
Aber: "Das Kleinsein hat auch eine starke bindende Wirkung", sagt Jonas. Eine kleine Gemeinde in einer Millionenstadt zu sein, sei sehr stabilisierend. Die dauerhaft in Rom lebenden Gläubigen binde das sehr an die Gemeinde. Die sonntäglichen Gottesdienste gleichen oft einem Familientreffen. Jonas begrüßt jeden am Eingang persönlich - und hinterher lädt er zu einem kleinen Umtrunk mit Wasser und Wein in den idyllischen Kirchengarten ein.
Keine Zwangsverpflichtung Mitglied zu werden
Im Sommer wird dort alle zwei Wochen abends der Grill angeworfen. "Die Menschen sollen sich bei uns wohlfühlen", sagt Pfarrer Jonas. Niemand muss das Gefühl haben: Wer einmal mitfeiert, muss gleich unterschreiben und Mitglied werden. "Dafür bin ich nicht der Typ. Ich finde es schwierig, wenn man als Pfarrer die Leute sofort zwangsverpflichtet."
Die Aufgabe des deutschen Pfarrers in Rom ist es nicht nur, seine Gemeinde zusammenzuhalten. Er repräsentiert die evangelisch-lutherische Kirche auch nach außen. Neben der anderen lutherischen Gemeinde, der schwedischen, sind die Waldenser Gemeinde, die methodistischen und baptistischen Kirchen und die italienischen Protestanten im Dachverband der evangelischen Kirchen in Rom zusammengeschlossen. Auch mit den vielen Ordensgemeinschaften, die in der Stadt angesiedelt sind, hat Jonas beruflich zu tun - und natürlich mit dem Vatikan.
Vertrauensvolle Beziehung zu Papst Franziskus
Vor allem zum Dikasterium für die Einheit der Christen mit Kardinal Koch an der Spitze bestehe eine regelmäßige und vertrauensvolle Beziehung, "und letztlich auch zu Papst Franziskus", erzählt Jonas. Schön sei in Rom die Zusammenarbeit mit den benachbarten katholischen Gemeinden. "Zum Beispiel hatten wir letztens eine Pilgergruppe aus Sachsen hier, die zum Taizé-Treffen nach Rom gekommen war. Wir hatten nicht für alle einen Schlafplatz - da konnte ich problemlos bei meinem katholischen Nachbarpfarrer anfragen, und die Gäste kamen dort unter."
Grundsätzlich ist die Entsendung der EKD nach Rom auf sechs Jahre ausgelegt, mit der Option, um drei weitere zu verlängern. Was Michael Jonas in Anspruch nimmt. "Der Impuls dazu kam aus der Gemeinde, das ist mir sehr wichtig", betont er. Sonst hätte er das nicht in Betracht gezogen.
Wenn es dann irgendwann wieder zurück nach Deutschland geht, was wird er mitnehmen? "Ganz viel Mut im Umgang mit kleinen Zahlen." Er sehe in Rom, "dass man auch mit wenigen Menschen und geringen Ressourcen sehr lebendige Gemeindearbeit machen kann." Und vielleicht, sagt Jonas, könne er auch ein bisschen was vom italienischen Sonnenschein im Herzen mitnehmen.