Blick in den Altarraum der besuchten Maria-Magdalena-Kirche
© Dariusz Bruncz
Die Jubiläumsfeierlichkeiten zur Erinnerung an die 500 Jahre lutherischer Reformation in Breslau fanden in der historischen Maria-Magdalena-Kirche, der Kathedralkirche der Polnisch-Katholischen Kirche, statt.
Reformationsjubiläum in Breslau
Grüne Blätter des Glaubens
Vor genau 500 Jahren kam der aus Nürnberg stammende Theologe Johann Heß nach Breslau und wurde am 23. Oktober 1523 Propst der imposanten Maria-Magdalena-Kirche. So begann die lutherische Reformation in Breslau, die nach der Breslauer Disputation in der benachbarten Dorotheenkirche ein Jahr später besiegelt wurde. 

Der humanistisch gesinnte Sohn eines kaiserlichen Arztes und einer Kaufmanntochter war enger Mitarbeiter des Breslauer Bischofs Johannes V. Thurzo und Erzieher im Adelshaus von Münsterberg und Oels. Nach seinem Studium und Priesterweihe in Italien schloss er sich endgültig auf seinem Rückweg der Reformation an. Er machte einen Zwischenstopp in Wittenberg, wo er bereits Kontakte zu Georg Spalatin hatte und sein Magisterstudium absolviert hatte. 

Heß war kein radikaler Theologe oder Prediger, sondern auf Ausgleich ausgerichtet. Theologische Streitigkeiten seiner Epoche waren eher nicht sein Ding, obwohl er auch nicht theologische Kontroversen scheute, wenn man lutherisches Profil zeigen musste. In einem Brief an den Pfarrer zu Olmütz schrieb er: "Wir Prediger sind Fuhrleute, müssen nicht fahren, wohin wir gedenken, sondern wohin Pferde und Wagen ohne Schaden kommen können." 

Die Einführung der evangelischen Kirchenordnung in Breslau (heute Wroc?aw) ging reibungslos voran. 

Die Johann-Heß-Tafel an der Rückseite der St. Maria-Magdalena-Kathedrale in Breslau erinnert an den deutschen Reformator und Propst.

Die im Jahre 1702 gegründete Universität Breslau bekam 100 Jahre später ihre Evangelisch-Theologische Fakultät, die aus der früheren Theologischen Fakultät der Viadrina in Frankfurt an der Oder hervorgegangen ist. 

Spitzenreiter evangelischer Theologie

In Breslau entstand eine ungewöhnlich vielfältige Atmosphäre geistigen und intellektuellen Lebens, auch für das kirchliche Leben. Hier wurde Friedrich Daniel Schleiermacher, der Vater der modernen protestantischen Theologie, geboren sowie der Lutheraner und Kirchenmärtyrer Dietrich Bonhoeffer. 

An der Breslauer Universität lehrten vornehme Theologen und entstanden theologische Klassiker: Hier hat Rudolf Otto sein bahnbrechendes Werk "Das Heilige" geschrieben und Rudolf Bultmann, der hier Extraordinarius fürs Neue Testament war, verfasste die berühmte "Geschichte der synoptischen Tradition". Auch William Wrede und Friedrich Gogarten waren hier Theologieprofessoren.

Im katholischen Bereich wirkte in der Oderstadt Edith Stein - Schülerin von Husserl, die auch bei Bultmann im Griechisch-Kurs saß - sowie der Ordinarius für katholische Theologie, Joseph Hubert Reinkens, der später zum ersten altkatholischen Bischof Deutschlands geweiht und einer der Väter der altkatholischen Tradition wurde. 

Nicht die Zahlen zeugen von Größe

Schon am 20. Oktober begannen Jubiläumsfeierlichkeiten zur Erinnerung an die 500 Jahre lutherischer Reformation in Breslau. Ihr Höhepunkt war der evangelische Wortgottesdienst in der historischen Maria-Magdalena-Kirche mit musikalischer Begleitung vom Kleinen Chor aus Lübars (Kirchengemeinde Wittenau, Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg- schlesische Oberlausitz, EKBO). Die gotische Backsteinkirche ist seit 1970er die Kathedralkirche der Polnisch-Katholischen (Altkatholischen) Kirche. 

"Die Blätter unseres Glaubens sind grün und hören nicht auf, Früchte zu bringen", sagte in der Begrüßungsansprache Bischof Waldemar Pytel (Schweidnitz) von der Breslauer Diözese der Evangelisch-Augsburgischen (Lutherischen) Kirche in Polen. 

Die Predigt im Festgottesdienst hielt Pfarrer Dr. Martin Junge (Chile), der frühere Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), der im September auf der 13. Vollversammlung in Krakau getagt hatte. "Weder ihre Größe noch ihre Zahlen sind in der Kirche wichtig, sondern was sie mit der ihr anvertrauten Botschaft tut. Es gibt demnach keinen Grund mit Besessenheit auf Zahlen zu starren oder aus ihnen einen Grund für Niedergeschlagenheit zu machen. Die Kirche kann immer besser werden und das ist die Quintessenz der Reformation. Der Motor dafür ist nicht unsere prätentiöse Überheblichkeit, sondern die Schönheit und Kraft dessen, was uns aufgetragen wurde". sagte Pfarrer Junge in der Predigt. 

Reformationsjubiläum in Breslau.

Im Anschluss an den Gottesdienst fand im Festsaal des Alten Rathauses das Festakt zur Überreichung der Prinzessin-Anna-Wazowna-Preises, den die lutherische Kirche in Polen jährlich verleiht. Zu den diesjährigen Preisträgern wurden Pfarrer Martin Junge und Professor Piotr Oszczanowski, Kunsthistoriker und Direktor des Nationalmuseums in Breslau, gekürt. Die Gäste wurden vom Stadtpräsidenten Jacek Sutryk willkommen geheißen. 

Grußworte sprachen auch Vertreter von deutschen Schwesterkirchen – Bischof Tobias Bilz für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Sachsen und Generalsuperintendentin Theresa Rinecker für die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg und Schlesische Oberlausitz. 

Am 22. Oktober fand dann in der lutherischen Vorsehungskirche (ehemals reformierte Hofkirche) der deutsch-polnische Abendmahlsgottesdienst, in dem Bischof Jerzy Samiec, leitender Bischof polnischer Lutheraner die Predigt hielt. 

Im Rahmen der Feierlichkeiten fanden bereits Konzerte sowie ein theologisches Symposium in Zusammenarbeit mit der Päpstlichen Theologischen Fakultät (PWT) und der Evangelikalen Theologischen Hochschule (EWST) in Wroclaw statt.

Weitere Veranstaltungen zum 500. Reformationsjubiläum in Breslau unter dem Motto "Offene Herzen" werden bis zum Reformationstag im Rahmen des Protestantischen Kulturfestivals dauern. 

2015 wurde Breslau mit dem Ehrentitel Reformationsstadt Europas von der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa geehrt.

evangelisch.de dankt ewangelicy.pl für die Kooperation.