"Wir appellieren seit Jahren an die Politik, dass Menschen, die nach Deutschland kommen und absehbar länger hier sein werden, so schnell wie möglich in Arbeitsprozesse integriert werden", sagt Diakonie-Präsident Lilie. Eine Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit lehnte er aber ab. "Das hat etwas von einem Zwangsdienst", sagte er zu entsprechenden Forderungen von Ländern und Kommunen.
Der Chef des evangelischen Wohlfahrtsverbandes betonte, es gehe um Menschen, die Anrecht auf Asyl haben oder die in Deutschland Flüchtlingsschutz genießen. Man müsse sie begleiten und ihnen zeigen, "dass sie hier auch gewollt sind und eine reale Chance erhalten, sich in diese Gesellschaft zu integrieren." Freiwilliges, gemeinnütziges Engagement könne dazu ein erster Schritt sein, sagte er: "Das Ziel muss aber immer die Integration in den Arbeitsmarkt sein."
Die Ampel-Koalition hat sich in dieser Woche auf ein zweites Migrationspaket verständigt. Es sieht die Lockerung von Arbeitsverboten für Asylbewerberinnen und -bewerber vor. Im Gegenzug sollen Abschiebungen erleichtert und beschleunigt werden. Die geplanten Regelungen beurteilte der Diakonie-Chef skeptisch. Es gebe keine Maßnahmen, um die Probleme "auf Knopfdruck" zu lösen. "Diese Fragen brauchen einen langen Atem und verlässliche Verträge mit anderen Ländern, die dann eben auch Menschen zurücknehmen", sagte Lilie.
Eine mögliche Umstellung auf Sachleistungen bei der Versorgung von Geflüchteten lehnte der Präsident der Diakonie Deutschland ab. Zuletzt hatte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte gefordert. Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) will Sachleistungen für Flüchtlinge. Lilie bezeichnet Sach- statt Geldleistungen als "Ladenhüter aus der migrationspolitischen Ideenkiste". Die damit verbunden Probleme seien bekannt: "Damit schaffen wir viel mehr Bürokratie", sagte er.
Es komme stattdessen jetzt darauf an, "professionellen Pragmatismus in die Migrationsdebatte zu bekommen". Sachleistungen senkten die Flüchtlingszahlen nicht. Über eine Begrenzung der Zuwanderung müsse gleichwohl diskutiert werden, sagte Lilie: "Wir müssen sicherlich die Zahlen begrenzen." In der aufgeheizten Migrationsdebatte sei es jetzt die Aufgabe der Politik, die Steuerung der Migration und die Schutzpflichten gegenüber geflüchteten Menschen vernünftig auszubalancieren, erklärte der Diakonie-Chef.