Cabernet Cantor, Solaris, Johanniter: Auf dem evangelischen Schulcampus am Dom zu Brandenburg befassen sich die Schüler:innen mit einem ungewöhnlichen Thema. Denn dort wird auch Weinbau unterrichtet. In der Nähe des Doms, der als Wiege der Mark Brandenburg gilt, und in Sichtweite eines Arms der Havel wachsen hinter dem Schulgebäude mehrere Reihen Rebstöcke. Die Trauben sind mit blauen Netzen gegen Diebstahl durch Stare gesichert. Daneben wachsen Lavendelstauden und ein großer Feigenbaum.
Das Projekt, weit entfernt von den klassischen deutschen Weinbaugebieten, sei vom früheren Leiter des evangelischen Gymnasiums, Winfried Overbeck, initiiert worden, erzählt Schulleiter Olaf Gründel: Aus persönlichem Interesse und weil der Weinberg auch ein großes biblisches Thema ist. Im Alten Testament wird berichtet, wie Noah nach der Sintflut einen Weinberg anlegt. Der Prophet Jesaja bezeichnet das Volk Israel als Weinberg des Herrn. Im Neuen Testament wird von Gleichnissen Jesu über die mühevolle Arbeit im Weinberg und das Reich Gottes berichtet.
"Das passt toll in die Schule", sagt Gründel, der dort seit einem Jahr Direktor ist: "Auch weil man an dem Thema ganz, ganz viel lernen kann." Vom Pflanzen über Pflege, Ernte und Verarbeitung bis hin zur Entwicklung neuer Produkte und deren Vermarktung. "Im vergangenen Schuljahr haben sie Gummibärchen gemacht", erzählt der Direktor: "Jetzt ist Traubeneis die neue Idee." Auch eine Schülerfirma wurde gegründet, sie trägt den Namen "Schulweingut am Dom".
Alkohol ist für die Kinder jedoch tabu
Die Schule am Dom beginnt mit der siebten Klasse und führt bis zum Abitur, auch einen Oberschulzweig bis zur zehnten Klasse gibt es inzwischen. Alle Schüler:innen sollen sich im Lauf ihrer Zeit auf dem Campus mindestens einmal am Weinbau-Projekt beteiligen. Alle achten Klassen müssten das Projekt durchlaufen, sagt Gründel. Alkohol ist für die Kinder jedoch tabu. Sie stellen Traubensaft und Produkte daraus her. Mit der Weinproduktion befassen sich erst die älteren Jugendlichen in den Seminarkursen Önologie und Biodiversität.
In der Küche der Schulkantine stehen vier Mädchen, zwei Jungen und ein Lehrer, beobachten die Dampfentsafter auf dem Herd und füllen Solaris-Traubensaft ab. Für 16 Halbliterflaschen reicht die kleine Ernte an diesem Tag. "Wir sind jetzt hier in der Produktion", sagt die 13-jährige Frederike und lacht. "Das ist schon cool", ergänzt die 14-jährige Lara: "Aber Wein darf man erst ab der elften Klasse herstellen." Dann kommen ein paar Zwölftklässler zum Weinberg und beginnen mit ihrer Ernte, schneiden die reifen Reben von den Weinstöcken und verarbeiten sie. Federweißer soll es diesmal werden. Am Ende haben sie mehrere Liter dafür vorbereitet.
"Ich finde das super", sagt Ahmad: "Weil wir hier auch aktiv was machen." Der 18-Jährige ist vor sechs Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen und hat an dem Tag auch am handbetriebenen Entrappungsgerät Beeren von Stielen getrennt. Winzer wolle er aber wohl doch eher nicht werden, sagt er noch. Sie erzähle ihren Freunden gerne vom Weinbau an der Schule, erzählt die 17-jährige Josefina nach der Traubenernte: "Es ist aber auch ein Haufen Arbeit."
2014 wurden die ersten 150 Rebstöcke gepflanzt, drei pilzresistente Züchtungen des Staatlichen Weinbauinstituts Freiburg vom Kaiserstuhl. Seit 2019 wird etwa drei Kilometer entfernt auch eine größere Fläche von der Schule bewirtschaftet. Weit über 1.000 Rebstöcke wachsen dort. "Da fangen wir gerade an, den Weinberg aufzubauen", erzählt Konstantin König: "Aber ernten kann man erst so ab fünf Jahren." Der promovierte Biologe leitet die Weinbaukurse. Um die 100 Liter Wein und 30 bis 40 Liter Saft produziert die Schule bislang im Jahr. "Hauptkundschaft sind natürlich erstmal die Eltern", sagt König: "Aber es spricht sich rum."