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11. Oktober, ZDFinfo, 20:15 Uhr
TV-Tipp: "Sex und Macht"
Die Dokumentation thematisiert die "MeToo" Bewegung eindrücklich und mit positiver Botschaft. Keine Frau muss sich sexuelle Belästigung gefallen lassen. Gezeigt werden Schilderungen von Frauen aus der Film- und Medienbranche sowie der Politik.

Mit dem Skandal um den amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein wurde im Herbst 2017 auch der Begriff "MeToo" publik: Millionen Frauen meldeten sich in den digitalen Medien zu Wort und wiesen darauf hin, dass auch sie sexuell belästigt oder Opfer von Übergriffen geworden seien. Rasch wurde deutlich: Das Phänomen ist kein typisches Problem der Filmbranche; es findet sich überall dort, wo Männer ihre Macht ausnutzen, um sexuelle Gefälligkeiten einzufordern. "Sex und Macht" lautet daher auch der Titel, den Edith Dietrich und Birgit Bonk ihrer neunzigminütigen Dokumentation gegeben haben.

Die Protagonistinnen des Films würden sich vermutlich nicht als Heldinnen betrachten, aber die Bezeichnung drängt sich auf: weil sie alle irgendwann aufbegehrt haben und zwar öffentlich. Auf diese Weise wurden viele andere ermuntert, sich ebenfalls zu wehren.

Neben den Klägerinnen gibt es zwei prominente Angeklagte. Der eine ist Wolfgang Fellner. Zum Imperium des mächtigen österreichischen Medienmoguls gehört unter anderem der TV-Sender oe24. Im Frühjahr 2019 hat ihn die Moderatorin Raphaela Scharf öffentlich der sexuellen Belästigung bezichtigt; prompt wurde sie fristlos entlassen. Darüber hinaus wollte Fellner vor Gericht eine Unterlassungsklage erreichen: Die Moderatorin sollte ihre Behauptung nicht mehr öffentlich wiederholen dürfen. Ermutigt durch das Beispiel der Kollegin erhob 2021 Katia Wagner, ebenfalls Moderatorin, ganz ähnliche Vorwürfe gegen Fellner. Beide konnten zudem akustische Mitschnitte vorlegen. Die Fälle sind die spannendsten des Films, weil sich die Frauen trauten, gegen einen der einflussreichsten Männer des Landes vorzugehen. 

Zumindest hierzulande ungleich prominenter ist allerdings Grimme-Preisträger Dieter Wedel, dessen Mehrteiler wie "Der Schattenmann" (1996) oder "Der König von St. Pauli" (1998) in den Neunzigerjahren hohe Einschaltquoten garantierten. Dass bei seinen Dreharbeiten ein rauer Tonfall herrschte, war in der Branche bekannt und hätte bei einem weniger erfolgreichen Regisseur vermutlich dazu geführt, dass er keine Aufträge mehr bekommt. Zumindest unter Schauspielerinnen galt es zudem als offenes Geheimnis, dass er seine Position bei Begegnungen unter vier Augen gern mal missbrauchte. Im Rahmen von "#MeToo" äußerten sich einige der Betroffenen erstmals öffentlich. Ein entsprechendes Verfahren wurde eingestellt, als Wedel im Sommer 2022 starb.

In "Sex und Macht" berichtet Patricia Thielemann, wie Wedel sie vor gut dreißig Jahren zum Casting für "Der große Bellheim" ins Bremer Parkhotel eingeladen habe und in seiner Suite über sie hergefallen sei. Auf ihre Ablehnung habe er mit den Worten reagiert, er könne ihre Karriere aufbauen oder zerstören. Kollegin Sara Sommerfeldt beschreibt den schmalen Grat, auf dem Schauspielerinnen in solchen Situationen grundsätzlich wandelten: Einerseits müssten sie gefallen, weil sie die Rolle wollten, andererseits gelte es, nicht missverstanden zu werden. Wedel beteuerte später stets, etwaige sexuelle Handlungen hätten stets in gegenseitigem Einvernehmen stattgefunden. 

Trotz der delikaten Thematik wird die Dokumentation nie schlüpfrig. Außerdem lassen die Autorinnen nicht mal ansatzweise den Gedanken aufkommen, es könne sich bei den Übergriffen um Kavaliersdelikte gehandelt haben. Das liegt vor allem an den oftmals bedrückenden Schilderungen der betroffenen Frauen. Gerade die beiden Österreicherinnen beschreiben sehr nachvollziehbar, wie abstoßend sie die körperlichen Annäherungsversuche Fellners empfunden hätten.

Hinzu kommen die Einschätzungen einiger Sachverständiger: Ein forensischer Psychiater interpretiert die Belästigungen sinngemäß als Rückzugsgefechte des Patriarchats, eine Frau von einer Beratungsstelle für Opfer von sexualisierter Gewalt schildert, wo die roten Linien sind. 

Ein weiterer Schwerpunkt neben Filmgeschäft und Mediengewerbe ist die Politik. Silvana Koch-Mehrin, 2004 als Spitzenkandidatin der FDP ins Europäische Parlament gewählt, spricht über den zumindest damals noch alltäglichen Sexismus in der Politik und erinnert sich, wie ihr als EU-Praktikantin jemand seine Hand in die Bluse geschoben habe. Gerade Politikerinnen sind zudem immer wieder Zielscheibe von Hetze im Internet. Zeugin der Anklage ist in diesem Fall die Grünen-Abgeordnete Hannah Neumann, die Opfer einer von der AfD initiierten Kampagne wurde. Die positive Botschaft der auch optisch abwechslungsreich gestalteten Dokumentation: Selbst gegen anonym verbreitete Hassbotschaften lässt sich juristisch vorgehen. 

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