Hauptfigur ist diesmal Hauptmann Furrer, was einerseits begrüßenswert ist, weil der mittlerweile durch Pierre Kiwitt ersetzte Felix Kramer, vor einigen Jahren als Star der Netflix-Serie "Dogs of Berlin" endlich auch als Hauptdarsteller entdeckt, sein Potenzial zuvor stets bloß andeuten konnte. Als der Polizist ziemlich verkatert neben seiner Freundin Dominique (Ina Paule Klink) aufwacht, weil sein Telefon klingelt, kann er nicht ahnen, dass dies sein vorerst letzter geruhsamer Moment sein wird.
Der Film beginnt mit einer nächtlichen Razzia in einem Club, die scheinbar aus dem Ruder läuft. Der Besitzer wird erschossen, in Notwehr, wie es heißt; durch einen Schuss mitten ins Herz. Streifenpolizistin Emmi (Lena Schmidtke) ahnt, dass hier irgendwas nicht stimmt und bittet Furrer, der eine Art beruflicher Ziehvater für die junge Frau ist, am nächsten Morgen um ein Gespräch. Der schickt sie erst mal heim, damit sie sich ausschlafen kann. Als er sie später aufsuchen will, hat sich Emmi anscheinend vom Balkon gestürzt. Sein Chef (Thomas Kügel) suspendiert den Hauptmann zunächst, aber weil sich überall in der Wohnung und auch an der Leiche seine DNS-Spuren finden, steht Furrer nun unter Mordverdacht.
Die Indizien sind derart erdrückend, dass er bei den anderen Polizisten als Kollegenmörder gilt, zum Freiwild wird und prompt unter Beschuss gerät. Anwalt Borchert (Christian Kohlund) kommt derweil bei seinen Recherchen einem Syndikat auf die Spur: Das Sittendezernat, eigentlich Hüter von Anstand und Moral, hat das Rotlichtmilieu unter seiner Kontrolle. Ulf Markwart (Christoph Letkowski), der ehrgeizige Chef der Abteilung "Milieu und Drogen", ist ein Freund Furrers; der kann und will sich nicht vorstellen, dass sein alter Weggefährte von der Korruption der Kollegen wusste. Wirklich vertrauen aber kann nur noch seinem engen Mitarbeiter Urs (Yves Wüthrich).
Erneut beherzigen Richter und sein Kameramann Max Knauer das ästhetische Konzept, das auch schon der Episode zuvor ("Borchert und die mörderische Gier", 2019) zum Hochglanz-Look verholfen hat. Diesmal arbeiten die beiden bei der Bildgestaltung noch stärker mit Farben. Die Rückblenden wirken wie ein Trip aus Violett und Pink, und die Szenen hinter den Kulissen der Nachtclubs sorgen dafür, dass keinerlei Zweifel an der Berechtigung des Begriffs "Rotlichtmilieu" aufkommen. Nicht zuletzt dank der abwechslungsreichen Musik (Michael Klaukien, Andreas Lonardoni), die die Handlung in den Spannungsszenen elektronisch vor sich hertreibt, lässt Richter immer wieder eine perfekte Thriller-Atmosphäre entstehen, zumal Drehbuchautor Wolf Jakoby den Hauptmann schließlich zum Opfer eines teuflischen Komplotts werden lässt: Dank der perfiden Raffinesse seiner Kollegen sieht es nun so aus, als habe Emmi den Clubbesitzer erpresst und kaltblütig hingerichtet, als der Mann aussagen wollte; und Furrer steht als Drahtzieher da.
Gemeinsam mit Furrer rückt auch Dominique stärker ins Zentrum, was der Rolle gut tut. In "Borchert und die mörderische Gier" wurde Ina Paule Klink allzu sehr auf einen Status als kühle Kanzleipartnerin reduziert, diesmal Film zweifelt die verliebte Anwältin nicht eine Sekunde lang an der Unschuld ihres Freundes.
Auch Borchert darf neue Seiten zeigen. Seine Liebe zur Klassik ist dabei weniger überraschend als seine Kontakte ins Rotlichtmilieu. Ihm mögen zwar Jugend und Fitness für eine Verfolgungsjagd fehlen, nicht jedoch der nötige Mut für eine Kletterpartie an der Fassade eines Nachtclubgebäudes, als er die Hintermänner beim konspirativen Gespräch belauschen will. Die Handlung erinnert dank der konsequenten Skrupellosigkeit der Verbrecher ohnehin an amerikanische Krimis: Kaum hat Borchert eine Prostituierte überzeugen können, gegen die Gangster auszusagen, wird sie auch schon ermordet. Richters Inszenierung genügt erneut hohen Ansprüchen, zumal jede einzelne Szene nicht zuletzt dank kleiner Details, die für die Handlung nicht weiter wichtig sind, sehr durchdacht wirkt.
Im Anschluss um 23.40 Uhr zeigt der WDR "Borchert und der verlorene Sohn", ebenfalls von Richter: Nachdem Anwalt Borchert das Lösegeld übergeben hat, wird der entführte Sohn eines alten Freundes wieder freigelassen. Die Polizei macht das Opfer jedoch zum Täter: Angeblich hat der junge Mann das alles bloß inszeniert. Als die Leichen der Kidnapper gefunden werden, gilt er auch noch als Mörder. Der Film verliert jedoch ganz erheblich an Reiz, weil viel zu früh völlig klar ist, wer hinter der ganzen Sache steckt. Ein zweites Manko ist die Schnittfrequenz: Aus unerfindlichen Gründen sind viele Szenen regelrecht zerstückelt. Was in spannungsgeladenen Momenten plausibel ist, wirkt bei ruhigen Dialogen komplett unangebracht und sorgt nur für Hektik. Das Ensemble mit Uwe Kockisch als Patriarch und Götz Otto als Unterweltgröße ist dafür umso sehenswerter.
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