Das Kanzleramt hat der Berliner Volksmund bereits zur "Waschmaschine" gemacht. Mit derselben Liebenswürdigkeit werden die Hauptstädter demnächst vielleicht das neueste Werk des Starkünstlers Dani Karavan zur "Gedenkpfütze" küren. Das zentrale Mahnmal für die Opfer des Völkermords an den Sinti und Roma wird am 24. Oktober von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeweiht.
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Die von Wasser überflutete, kreisrunde Granitplatte ist so unscheinbar, dass Passanten des Spazierwegs zwischen Reichstag und Brandenburger Tor sie als kleinen Brunnen ansehen könnten. Nur die Einfassung des umliegenden Rasengeländes durch beschriftete Glaswände, ein Tag und Nacht zu hörender Geigenton und eine immer frische Blume inmitten des zwölf Meter großen "Sees" geben einen Fingerzeig auf dessen tiefere Bedeutung.
Nach dem Willen des israelischen Architekten Karavan soll die Tiergarten-Lichtung zu einem Ort innerer Anteilnahme werden, "ein Ort, den Schmerz zu fühlen, sich zu erinnern und die Vernichtung der Sinti und Roma durch das nationalsozialistische Regime niemals in Vergessenheit geraten zu lassen". Dem Völkermord dürfte eine sechsstellige Zahl von Menschen zum Opfer gefallen sein. Näheres ist nicht bekannt. "Es fehlen die Quellen", sagt die Historikerin Karola Fings. Sie ist eine der wenigen Forscher, die diesen Völkermord bislang dokumentierten.
Vergleichsweise unscheinbar
Das Mahnmal werde "eine Bereicherung für das Gedenken, für die Berliner Denkmallandschaft" sein, ist die Vorsitzende des Bundestags-Kulturausschusses, Monika Grütters (CDU), schon jetzt überzeugt. Die vergleichsweise unscheinbare Gedenkstätte hat am Ende 2,8 Millionen Euro gekostet. Die ursprünglich veranschlagte Summe von zwei Millionen Euro war bis zum Frühjahr fast komplett ausgegeben worden. Doch auf das Mahnmal wies damals nicht viel mehr als ein kreisrundes Loch in der Erde hin.
Manche fühlten sich daher bereits an die "Topographie des Terrors" erinnert. Bei dem 2010 eingeweihten NS-Dokumentationszentrum waren durch jahrelange Fehlplanung zunächst rund zehn Millionen Euro in den Sand gesetzt worden.
Mehr noch als damals gibt es aber beim Sinti-und-Roma-Mahnmal eigentlich keinen Beteiligten, der sich nicht blamierte: Die Bundesregierung genauso wie die Baubehörden, die Opferverbände und auch der Künstler von Weltrang. Nicht zu vergessen ein Regierender Bürgermeister wie Eberhard Diepgen (CDU), der das Projekt lieber gleich an den Stadtrand verlegen wollte. Oder ein namhafter NS-Historiker, der es vor Jahren mit dem Argument ablehnte, dass man dann auch ein Denkmal für getötete Wale errichten könnte.
Bereits 1992 beschlossen
Zeit für Blamage hatten die Beteiligten durchaus: Bereits vor 20 Jahren hatten Bund und Land den Sinti und Roma eine Gedenkstätte versprochen. Auf Betreiben insbesondere des von der Publizistin Lea Rosh initiierten Förderkreises für das damals ebenfalls beschlossene Holocaust-Mahnmal sollte das Gedenken an die verschiedenen Opfergruppen klar getrennt werden.
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Während das riesige Stelenfeld für die ermordeten Juden wenigstens 13 Jahre später eingeweiht wurde, und auch die Lesben und Schwulen ihr Denkmal erhielten, warteten die Sinti und Roma bis zuletzt auf das ersehnte Zeichen der Anerkennung für ihr Leiden. "Das zeigt den Stellenwert, den wir in dieser Gesellschaft haben", bilanziert der Vorsitzende des Zentralrates der Sinti und Roma, Romani Rose. Der Zentralrat war selber allerdings nicht ganz unschuldig daran, dass die Grundsteinlegung für das Mahnmal erst 2008 erfolgen konnte. Jahrelang lieferte er sich einen zähen Inschriftenstreit mit einem anderen Opferverband.
Dass es danach über drei Jahre lang mit dem Projekt nicht richtig voranging, lag wiederum am Künstler. Karavan änderte immer wieder seine Pläne ab, zuletzt war ihm das Wasser im "See" nicht schwarz genug. Wie schon bei der "Topographie" ging derweil die Baufirma pleite. Weder den Inschriftenstreit noch die Baustelle bekam die Politik richtig in den Griff. Die Kulturausschuss-Vorsitzende Grütters räumt heute ein, dass Karavan "im Umgang anspruchsvoll" sei. Auf den bereits gelegentlich geäußerten Kitsch-Vorwurf entgegnet sie: "Niemand ist gezwungen, sich das Mahnmal anzusehen." Den bei solchen Projekten üblichen Gestaltungswettbewerb gab es nie.