Die Menge jauchzt und johlt. Besonders lustig finden die Zuschauer den als Frau verkleideten Mann, der eine Käuferin spielt - mit schwarzem Lockenkopf und femininem Verhalten. Die Schauspieler treten in der Stadt Agadez im Niger auf, einem Sahelstaat in Westafrika ohne Zugang zum Meer. Seit September 2011 kämpft die Regierung mit Hilfe internationaler Organisationen gegen eine drohende Hungersnot.
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Die Katastrophe konnten alle gemeinsam tatsächlich noch verhindern, obwohl die Lage für viele immer noch kritisch ist. Der Sketch ist Teil dieses Kampfes: Er wurde von der Organisation Africare organisiert, die für das Welternährungsprogramm Bargeld an diejenigen Menschen verteilt, die sich sonst kein Essen mehr leisten könnten.
Das Geld bekommen nur die Allerärmsten. Wer dazu gehört, wird nach strengen Kriterien bestimmt. Die Begünstigten erhalten umgerechnet 50 Euro im Monat. "Auf den Märkten gibt es genug Lebensmittel", sagt Ahmed Mohamed von Africare zur Begründung. "Aber die Preise sind so stark gestiegen, dass viele Menschen trotzdem hungern."
Spekulationen sind eine Ursache für die Not
Ein 100-Kilo-Sack Hirse kostete in diesem Jahr in manchen Gegenden mehr als umgerechnet 45 Euro. "Das ist rund 45 Prozent mehr, als in früheren Jahren zur selben Jahreszeit", sagt Moise Balla, Markt-Analyst des Welternährungsprogramms. Dass die Preise im Lauf des Jahres zum Teil drastisch ansteigen, ist nicht ungewöhnlich. Kurz vor der nächsten Ernte ist das Getreide am teuersten, denn dann sind fast alle Vorräte aufgebraucht.
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Sobald Ende September die ersten Felder abgeerntet werden, beginnen die Preise zu fallen. So war es auch in diesem Jahr. Auf dem Markt in der Hauptstadt Niamey kostete der 100-Kilo-Sack Hirse Ende September nur noch umgerechnet 26 Euro.
Aber das ist immer noch einiges mehr als in früheren Jahren. Verbraucherschützer Moussa Tschangari kritisiert die Aufkäufer: "Die Händler halten die Preise künstlich hoch." Sie kauften die Hirse kurz nach Ernte billig von den Bauern, um sie später für ein Vielfaches auf den Markt zu bringen.
Die Spekulation mit Nahrungsmitteln der örtlichen Händler ist neben der Dürre eine der Hauptursachen der Not im Niger und im gesamten Sahel-Raum. Die ersten deutlichen Hinweise auf eine drohende Hungerkrise waren vor einem Jahr gekommen. Im September 2011 erklärte das "Famine Early Warning System Network", ein von den USA finanziertes Frühwarnsystem, zehn Millionen Menschen im Sahel seien von Hunger bedroht.
Ernährungskunde auf dem Markt
Die internationalen Gemeinschaft reagierte und stellte mehrere Hundert Millionen Dollar bereit. Die Verteilung von Bargeld ist nur eine unter vielen Hilfsmaßnahmen. Die 45-jährige Aboto Abotali Reza in Agadez hat gerade ihr Geld bekommen und ist dafür unglaublich dankbar. Sie kann über gar nichts anderes reden als über ihre Dankbarkeit.
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Als sie gefragt wird, wie sie ab dem nächsten Monat klar kommen wird, wenn die Zahlungen eingestellt sind, verstummt sie abrupt. Auf diese Frage hat sie keine Antwort, denn für sie sind die Preise auch jetzt noch zu hoch. "Die Regierung muss den Markt regulieren", fordert deshalb Verbraucherschützer Tschangari. Die Konsumenten dürften dem Treiben der Händler nicht schutzlos ausgeliefert sein. Nur so könnten ähnliche Krisen künftig verhindert werden.
Die Marktszene der Schauspieler in Agadez bietet unterdessen auch ein wenig Ernährungskunde. Beherzt kauft die verkleidete Dame Hirse, zudem Tomaten, Orangen und Pampelmusen. "Weil ich auch Obst und Gemüse kaufe, war noch keins meiner Kinder mangelernährt", sagt sie unter dem Beifall des Publikums.
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