Viele, die aus Syrien, Afghanistan und der Ukraine nach Deutschland kommen, wollen nach Berlin; Zur Not wäre auch Frankfurt, Hamburg oder München okay. Ein Leben auf einem deutschen Dorf können sich die Wenigsten vorstellen. Zugleich ist klar: Alle können unmöglich in den Metropolen unterkommen.
Schon jetzt ist es unglaublich schwer bis unmöglich, in Berlin eine bezahlbare Wohnung zu finden und auch die Unterkünfte zur Unterbringung von Geflüchteten platzen aus allen Nähten. Umso drängender also die Frage: Wie lebt es sich als Geflüchteter in einer kleineren Stadt und wie ist der Alltag auf dem Land? Was muss geschehen, um diese Option attraktiver zu gestalten und das Potenzial des Landlebens für die Integration besser zur Geltung zu bringen?
Positive Aspekte des Lebens im ländlichen Raum
Wir haben viele Geflüchtete getroffen, die sehr zufrieden sind und gerne in kleineren Gemeinden leben. Es ist leichter, mit der Gesellschaft in Kontakt zu kommen. Da es zumeist nicht so große Communities von Geflüchteten gibt, bleibt den Neuankommenden nichts anders übrig, als zu interagieren. Initiativen und Vereine sind oft gemischter und es gibt mehr Austausch mit Deutschen und Menschen unterschiedlicher Herkunft.
Wenn engagierte Menschen in kleineren Orten etwas auf die Beine stellen, können sie viel erreichen und einen großen Unterschied machen. Das ist sehr motivierend - sowohl für Alteingesessene als auch für Neu-Angekommene. In vielen Fällen ist es einfacher, mit der deutschen Bürokratie zurecht zu kommen. Oft bekommt man schneller Termine bei Ämtern. Es ist deutlich leichter, eigene Wohnungen und Jobs zu finden.
In vielen Orten sind die Folgen des demographischen Wandels deutlich zu spüren. Anders gesagt: Es werden dringend jüngere Menschen gesucht, um die Ortschaften zu beleben. Das ist eine gute Chance für Neuankommende. Anders als in den großen Städten sind sie nicht zusätzliche Belastung für die Kommunen, sondern eine Bereicherung und Überlebenschance gerade für kleinere Gemeinden. In manchen Fällen werden sie entsprechend willkommen geheißen, in anderen Fällen ist hier noch Luft nach oben.
Negative Aspekte für Geflüchtete auf dem Land
Die Versorgung mit Sprachkursen, psychologischer Betreuung und Integrationskursen ist deutlich schlechter. Viele Neuankommende sind in ihrem Bewegungsradius stark eingeschränkt, weil sie auf den teilweise extrem schwachen ÖPNV angewiesen sind. Es ist schwierig, am kulturellen Leben in der eigenen Kultur teilzunehmen. Es ist schwierig, Bücher und Veranstaltungen in der eigenen Sprache zu finden. Manche der Interviewten klagten außerdem über Einsamkeit. Es sei zwar schön, sich in die Dorfgemeinschaft zu integrieren, aber Landwirt:innen in Niedersachsen seien auch nicht immer leicht zu verstehen und sie würden es vermissen, sich mit Menschen in ihrer Heimatsprache zu unterhalten.
Zu manchen unserer Fragen, konnten wir keine eindeutige Antwort finden. So gehen die Meinungen stark auseinander, ob die Unterbringung in Unterkünften im ländlichen Raum besser oder schlechter organisiert ist. Auch berichteten einige unserer Gesprächspartner, dass ihnen das Thema Rassismus stark zu schaffen machte und andere erstaunten uns mit sehr positiven Berichten: Sie hätten bislang keine rassistische Erfahrung gemacht.
Unser Fazit
Es kommt sehr stark darauf an, wie das Zusammenleben im ländlichen Raum gestaltet ist. Gelingt es, den Neuankommenden das Gefühl zu geben, dass sie in dieser neuen Heimat willkommen sind und mit ihren Bedürfnissen, Fragen und Traumata gut versorgt werden. Dann stehen die Chance gut, dass auch die Alteingesessenen die Vorteile sehen, die Migration für sie bedeuten kann: Dorfgemeinschaften werden wiederbelebt, Schulen, Vereine und Infrastruktur bleiben erhalten und es gibt für Aktive ein Potenzial, mit ihrem Engagement etwas zu bewegen.
Das alles lässt sich nicht in Zahlen und Kosten ausdrücken. Unsere Beobachtungen und unsere Empfehlungen werden die Politiker:innen aus Bund und Ländern nur mäßig beeindrucken. Wir bewegen uns auf einer ganz anderen Ebene als sie.
Es ist allerdings klar, dass es bei diesem Thema auch um Geld geht: Unterbringung und Integration muss gut gestaltet werden.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen von Amal on Tour, einer Kooperation zwischen der Redaktion von Amal und der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.
evangelisch.de dankt "Amal Berlin" für die inhaltliche Kooperation.