Unter dem Motto "Next Generation" befasste sich die Ideenmesse der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) mit genau diesem Thema und meinte damit keineswegs nur die jungen Menschen in den Kirchengemeinden. Kirchenvorstände und Mitarbeitende aller Altersgruppen waren eingeladen neue Hoffnung und Ideen für die Kirche der Zukunft zu sammeln.
Der Gottesdienst zum Auftakt des Tages startete traditionell mit digitalem Kirchengeläut aus der Marienstiftskirche in Lich. Ein Zusammenschluss aus drei Chören unter der Leitung von Benjamin Gail begleitete den Gottesdienst musikalisch und es wurde schnell deutlich: "Die Zeit für ein müdes Amen in der Kirche ist vorbei." Es braucht frischen Wind.
Videostatements und Beiträge von jungen Menschen auf der Bühne machten klar: Die Kirche hat die beste Botschaft der Welt zu erzählen. Deswegen solle sie ein Ort sein, der für alle Menschen offen ist, doch wie genau das umgesetzt werden soll, dazu gab es unterschiedliche Meinungen.
Für die Junge Kirche in Gießen ist Gemeinde unter anderem ein Café, wo jeder und jede nachmittags hinkommen, entspannen oder Billiard spielen kann. Und der Gottesdienst findet sonntags mit Brunch in Wohnzimmeratmosphäre in weichen Sesseln statt. Hauptsache viel Essen und Gemeinschaft, und ansonsten all das, worauf die Ehrenamtlichen Lust haben: Das ist für die rund 80 Menschen zwischen 15 und 35 Jahren Kirche. Sie haben sich vor einigen Jahren zusammengeschlossen, gestalten seitdem Gemeinde, sowie es ihnen gefällt - und haben großen Erfolg damit. Das Projekt ist in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Stadtjugendpfarramt im Gießen und der Evangelischen Jugend in Hessen und Nassau entstanden.
Kirche kommt zu den Menschen
Die Pastorin Janneke Botta aus Köln ist ebenfalls der Meinung, dass Kirche ganz neu gedacht werden muss, um wieder Menschen erreichen zu können - und zwar milieuspezifisch. Unsere Welt sei laut Botta mittlerweile so ausdifferenziert, dass es unmöglich sei alle Menschen mit einem einzigen Angebot anzusprechen. Deswegen sei es wichtig, zielgruppenorientiert zu arbeiten und sein Angebot genau auf die bestimmte Menschengruppe auszurichten, die man ansprechen möchte. Dafür hat ihre Kirchengemeinde in Mülheim, die sich "beymeister" nennt, beispielsweise eine Zeit lang immer wieder ein Original 50er-Jahre-Sofa an den Rhein gestellt und dort handgemahlenen Kaffee gekocht.
Sie arbeitet nicht nach einem Konzept, dass die Menschen von draußen in die Kirchen locken soll, sondern versucht, Kirche in die Lebensräume der Menschen zu bringen. Ganz nach dem Motto "Gott wird sich finden lassen". So hat Janneke Botta auch schon mit Künstler:innen vor Ort zusammen gearbeitet und Open-Air-Konzerte auf öffentlichen Plätzen organisiert. Nach einiger Zeit ist eine Künstlerin, die vorher nichts mit dem christlichen Glauben anfangen konnte, selbstständig auf die Idee gekommen, nach jedem Auftritt mit goldenen Konfetti die Bühne zu segnen. Für Botta ein Zeichen, dass Nachfolge entstehen kann, wenn Kirche sich in die Lebensrealität der Menschen ausbreitet und Gemeinschaften aufbaut.
Neue Ansätze im Konfi-Unterricht
Die evangelische Kirche Drais-Lerchenberg (bei Mainz) hat sich auch auf den Weg "raus zu den Menschen" gemacht und eine mobile Kirche auf Rädern entwickelt: Ein Coffee Bike. Das Café auf einem Fahrrad wird alle zwei Wochen von zwei hauptamtlich Mitarbeitenden als mobiles Elterncafé auf einem Spielplatz betrieben. Dadurch wurde ein Begegnungsort geschaffen, der ganz neue Zielgruppen erreicht und christliche Gemeinschaft außerhalb von Kirchenmauern lebendig macht. Vor Ort fanden auch schon Open-Air-Gottesdienste statt. So ist eine neue Gemeinde entstanden - ganz unabhängig von der Parochie.
Auf der Ideenmesse in Gießen wurde viel "außerhalb der Box" gedacht, aber ebenso wurden neue Ansätze für etablierte Systeme, wie den Konfirmandenunterricht vorgestellt: Zwei junge Konfirmanden erzählten an ihrem Stand begeistert von dem neuen Konzept des 9-Tage-Konfirmandenseminars ihrer Kirchengemeinde in Bad Vilbel. Hier wurde der normale Konfirmandenunterricht gekürzt und dafür eine verlängerte Freizeit umgesetzt, die den Jugendlichen den Raum gab, sich außerhalb der Schulzeit mit ihrem Glauben auseinanderzusetzen und über christliche Themen auszutauschen.
App macht Vernetzen leichter
Warum das besser ist als Konfiunterricht unter der Woche? "Weil es mehr Spaß macht" und "weil man sich ausführlicher mit den Themen beschäftigen kann", erzählten die beiden Konfis begeistert am Stand - und irgendwie konnte man spüren: Ja, dieses Seminar hat etwas mit ihnen gemacht.
Eine letzte Idee, die zeigt, wie sich Bestehendes verbessern lässt, ist "Communi" - eine Kommunikations-App, die es erleichtern soll, sich in einer Kirchengemeinde zu vernetzen, Termine zu veröffentlichen und Veranstaltungen zu planen. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, Gruppen zu erstellen oder beispielsweise um Hilfe für einen Umzug zu bitten. Eine einfache Möglichkeit für jedes Gemeindemitglied, das Gemeindeleben aktiv mitzuverfolgen und so auch mitzugestalten.
Neben spannenden Vorträgen, Impulsen und Diskussionsrunden gab es bei der Ideenmesse der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau auch eine Vielzahl von Messeständen, die besondere Ideen aus der Region vorstellten. Organisiert wurde die Veranstaltung von einer eigenen Basis-Arbeitsgruppe mit dem EKHN-Netzwerk "Lust auf Gemeinde" und der EKHN-Ehrenamtsakademie.