Dunkelblaue Farbbahnen ziehen sich über das West- und das Nordfenster im nördlichen Querhaus des Schweriner Doms. Wo vor Kurzem noch hinter durchsichtigem Glas die angrenzende Bebauung des Kreuzgangs zu erkennen war, wird nun der Blick auf einen imaginären weiteren sakralen Raum gelenkt, der sich durch die gestalteten Fenster hinter dem realen Dom eröffnet.
Der Entwurf ist ein Geschenk an die Schweriner Domgemeinde. Er stammt von einem der Großen der Gegenwartskunst, dem vor allem durch seine mit Nägeln gestalteten Werke international bekannt gewordenen Günther Uecker.
Der 93-Jährige, der seit Jahrzehnten in Düsseldorf lebt und arbeitet, hat eine besondere Beziehung zu Mecklenburg: Geboren am 13. März 1930 in Wendorf bei Schwerin, wuchs er auf der Halbinsel Wustrow nordöstlich von Wismar auf. Daran knüpfte Uecker nach der friedlichen Revolution an. Der Domgemeinde und dem Domförderkreis gelang es, Uecker für eine Ausstellung in dem Sakralbau zu begeistern.
Günther Uecker hat die vier blauen Fensterentwürfe unter den Titel "Lichtbogen" gestellt. Die zwei Fenster bestehen aus 65 Glasfeldern und haben eine Fläche von 31 Quadratmetern. Ausgeführt wurden die Entwürfe in den Glasstudios Derix im hessischen Taunusstein. Der in heller Farbigkeit ausgemalte gotische Dom habe einer Gestaltung seiner Fenster bedurft, wie es in Kirchen dieser Epoche üblich war, sagt Pastor Volker Mischok.
Farbton aus mittelalterlicher Verglasung
Bis auf wenige Reste sind die originalen Buntglasfenster verschwunden. Die Hauptfenster der Quer- und Seitenschiffe sind heute nur noch einfach verglast. "Sie lassen das Licht in die gotische Kathedrale fließen, aber sie formen es nicht." Und so habe es für die Gemeinde geistliche Gründe gegeben, die Fenster neu zu gestalten, ergänzt der Domprediger im Ruhestand, der das Projekt im Auftrag der Domgemeinde begleitet.
2020 hatte Uecker seine Entwürfe dieses Lichtbogens in Blau vorgelegt - ein Lichtbogen, "der uns ins Universum führt auf der Narbe unserer Verletzungen, aus einer Quelle von Leben und seiner Gefährdung", wie er dazu schrieb. Der Blauton stammt von einer der wenigen erhaltenen mittelalterlichen Scheiben des gotischen Doms, der mit 105 Metern Länge und einer Gewölbehöhe von 26,5 Metern zu den größten Backsteinkirchen weltweit gehört. Es ist das Blau, in dem der Schlüssel gemalt ist, den der Apostel Petrus als Himmelspförtner in der Hand trägt.
"Langer Dialog mit dem Dom"
Auch wenn nun das Gegenstück, die Gestaltung des Süd- und Westfensters im südlichen Querhaus, noch fehlt, so lässt sich schon jetzt anhand der beiden Fenster im nördlichen Querhaus erahnen, welche Wirkung das vollständige Werk haben wird. Die Gottesdienstgemeinde wird die Fenster im Blick haben, wenn sie nach dem Abendmahl vom Altar zu ihren Plätzen zurückkehrt.
Uecker, der zur Einweihung nach Schwerin gekommen war, zeigte sich "bewegt wie das Meer", nun das Ergebnis "eines langen Dialogs mit dem Dom und seiner Gemeinde" zu sehen. In Bezug auf die Fenster gehe es darum, "nicht etwas zu betrachten, sondern sich für etwas zu öffnen, was von außen einfällt."
Kulturministerin Bettina Martin (SPD) erklärte, mit den "wunderbaren Uecker-Fenstern" bekomme Schwerin ein Kunstprojekt von internationalem Rang. Sie seien eine Bereicherung für die Kulturlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns und "ein Beleg dafür, dass in den Denkmalen des Landes Raum für zeitgenössische Kunst ist". Die Bedeutung Ueckers für Mecklenburg-Vorpommern sei "herausragend".
Förderverein und Domgemeinde sind froh, dass dieser erste Abschnitt abgeschlossen werden konnte. Herstellung und Einbau der leuchtenden Scheiben sind ausfinanziert - der Förderverein spricht von 350.000 Euro. Unterstützung kam durch die Ostdeutschen Sparkassenstiftung, die Stiftung der Sparkasse Mecklenburg-Schwerin und das Kulturministerium. Etwa 70.000 Euro haben Kirchengemeinde und Förderverein aufgebracht. Noch fehlen etwa 400.000 Euro für die weiteren beiden Fenster. Denn Gemeinde und Förderverein denken schon weiter: Irgendwann sollen alle Domfenster wieder farbiges Licht auf die weißen Innenwände des Doms malen.