Dabei gehe es laut dem Vorstandssprecher Thomas Röhr besonders um den Ausbau von bezahlbarem Wohnraum. Zudem müssten die unterstützenden Leistungen bei der Prävention vor einem Wohnungsverlust verbessert werden. "Wohnen ist ein Menschenrecht", betonte Röhr.
Die Diskussionen über saubere Innenstädte und Hauptbahnhöfe seien nur vermeintlich ein Lösungsansatz, unterstrich der Vorstandssprecher. "Menschen in prekären Lebenslagen, häufig auch sehr schwer erkrankte Menschen, sind Teil unserer Gesellschaft und bedürfen unserer Unterstützung. Dies gilt für alle Menschen, unabhängig von Suchtmittelabhängigkeit, psychischer oder somatischer Erkrankung."
Eine reine Vertreibungspolitik werde den Unterstützungsbedarfen dieser Menschen nicht gerecht. Nötig seien "akzeptierte Toleranzflächen" und Orte, an denen sie sich aufhalten und soziale Unterstützung sowie medizinische Versorgung und Beratung erhalten könnten.
Der von der Bundesregierung angekündigte nationale Aktionsplan zur Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030 sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagte Röhr. Die soziale Ausgrenzung auf dem Wohnungsmarkt, in Arbeit, Bildung, und Gesundheit müsse beendet werden. "Ein nationaler Aktionsplan muss alle diese unterschiedlichen Dimensionen der fehlenden Teilhabe berücksichtigen und Perspektiven schaffen." Der Verein für Innere Mission gehört zur evangelischen Kirche und ihrer Diakonie.
Lage in Hamburg verschärft sich
In Hamburg ist die Zahl untergebrachter Wohnungsloser innerhalb eines Jahres um 70 Prozent gestiegen. Die aktuelle Zahl liege bei gut 32.000 Menschen, wie die Diakonie Hamburg anlässlich des heutigen Tages der Wohnungslosigkeit mitteilte. Ein Jahr zuvor hatte sie knapp 19.000 Betroffene vermeldet. "Damit sich etwas ändert, muss der Bund genauso etwas tun wie die Stadt Hamburg", forderte Landespastor Dirk Ahrens, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hamburg, laut Mitteilung.
"Die Situation wohnungsloser Menschen ist dramatisch, ihre Zahl steigt nahezu unaufhörlich, die Zahl adäquater Wohnungen für sie sinkt und eine konsequente Reaktion der Politik auf diese eigentlich unhaltbare Lage ist nicht erkennbar", sagte Ahrens. Die Zunahme in Hamburg ist laut Diakonie auf aus der Ukraine Geflüchtete zurückzuführen. In der Zahl nicht enthalten seien die geschätzt rund 2.000 obdachlos auf der Straße lebenden Menschen sowie verdeckt wohnungslos Lebende, die etwa bei Freunden auf der Couch schliefen, hieß es.
Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf verpflichtet, mit einem Aktionsplan die Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030 zu überwinden. "Im Bundeshaushalt für 2024 sind nun aber gerade einmal 1,5 Millionen Euro für den Aktionsplan vorgesehen", sagte Ahrens. "Damit lassen sich vielleicht ein Bericht und ein paar Konferenzen finanzieren, aber ein nachhaltiger Impuls zur Überwindung der Wohnungslosigkeit ist damit nicht vorstellbar."
Von der Stadt Hamburg forderte Ahrens: "Wir wünschen uns sehr, dass der Hamburger Senat das Ziel der Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit nicht nur in Sonntagsreden unterstützt, sondern endlich einen eigenen wirksamen Aktionsplan zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit vorlegt."
Diakonie fordert menschenwürdige Unterbringung
Die Diakonie Schleswig-Holstein fordert eine menschenwürdige Unterbringung wohnungsloser Menschen im gesamten Land. Vielerorts befänden sich Notunterkünfte in beklagenswertem Zustand, kritisierte sie. Land und Kommunen sollten endlich Mindeststandards für Notunterkünfte vorantreiben und ausreichend finanzielle Mittel dafür zur Verfügung stellen. Am 31. Januar waren in Schleswig-Holstein 19.420 Menschen in einer Notunterkunft untergebracht, wie die Diakonie unter Berufung auf Daten des Statistischen Bundesamts informierte.
Wohnungslose werden laut Diakonie in Hotels oder Notunterkünften untergebracht, die entweder von Kommunen oder Wohlfahrtsverbänden betrieben werden. Während beispielsweise in Lübeck Jugendliche, Frauen und Männer in unterschiedlichen Häusern der Diakonie mit vergleichsweise gut ausgestatteten Zimmern, Kochgelegenheiten und sanitären Einrichtungen getrennt voneinander wohnten, müssten Menschen in anderen Orten zu mehrt in einem Raum auf Notbetten übernachten, hieß es.
Privatsphäre sei kaum möglich, die sanitäre Ausstattung lasse oft zu wünschen übrig, es fehle an angemessen ausgestalteten Gemeinschaftsräumen und Kochmöglichkeiten. Auf Bedürfnisse von Familien mit Kindern sowie Behinderter, Erkrankter oder Pflegebedürftiger könne nur bedingt eingegangen werden.
Ein Mindestmaß an Privatsphäre
"Das Ziel unserer Arbeit ist eigentlich, von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen mit eigenem Wohnraum zu versorgen", sagte Landespastor und Diakonievorstand Heiko Naß. "Solange wir in Schleswig-Holstein aber nicht genug bezahlbaren Wohnraum haben, müssen die Notunterkünfte so ausgestattet sein, dass die Menschen dort menschenwürdig leben und ein Mindestmaß an Privatsphäre haben können."
Die Diakonie fordere als Standards Einzelunterbringung, sichere Räume für Frauen und Kinder, Möglichkeiten zum Kochen und zur Selbstversorgung, eine gute Anbindung an öffentliche und soziale Einrichtungen sowie den Nahverkehr und Barrierefreiheit, hieß es. Überdies sei eine fachliche Betreuung der Menschen dringend notwendig, auch um gemeinsam mit ihnen Perspektiven und Wege aus der Wohnungslosigkeit erarbeiten zu können.
Unterwegs für obdachlose Menschen
Der Mitternachtsbus ist jeden Abend in Hamburg unterwegs. Auch im Sommer. Die Ehrenamtlichen fahren zu den Schlafplätzen der Obdachlosen in der Innenstadt. Sie bringen Kaffee, Brote und das Gefühl, von der Welt nicht ganz vergessen zu sein. Im Sommer ist der Andrang sogar viel größer als im Winter. Einen Einblick in die Arbeit der Diakonie erhalten Sie in diesem Video: