Die Bewohner:innen des diakonischen Augustinums haben die Zusage: Selbst wenn sie sich für einen Suizid entscheiden, werden sie "wertschätzend und professionell bis zum Ende ihres Lebens begleitet", wie es in einem Papier des Heimträgers heißt. Es gebe "keine Suizidhilfe durch Mitarbeiterinnen, zugleich aber Respekt vor der freien Entscheidung von Bewohnern, die sich zu einem Suizid entschließen", betont der Vorsitzende der Geschäftsführung, Joachim Gengenbach. Viele andere Heime der Diakonie befinden sich noch in der internen Klärung.
Der Sprecher der Diakonie Bayern, Daniel Wagner sagte, dass jedes Heim eigene Regelungen finden müsse: "Es muss von unten nach oben eine Haltung entwickelt werden, das kann man nicht zentralistisch regeln." Zwar habe die Diakonie Bayern mit einem Positionspapier "Leitplanken aufgestellt", aber es gebe keine Bevormundung, "das Thema ist komplex". Wagner versicherte, dass es bei Sterbewilligen immer individuelle Lösungen gebe, denn sie sollen nicht gezwungen sein, das Heim zu verlassen.
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, weiß, dass es extreme Situationen gibt, in denen das Leben für einen Menschen unerträglich werde und die körperlichen oder seelischen Qualen alles andere überlagerten. "In solchen Ausnahmefällen maße ich mir kein Urteil an, wenn ein Mensch keinen anderen Ausweg mehr sieht, als das Leben zu beenden und dabei andere um Hilfe zu bitten", hatte die EKD-Ratsvorsitzende schon im Januar 2022 in einem Zeitungsinterview gesagt.
Diakonie und EKD setzen sich für Prävention ein
Diakonie und EKD setzen sich nach dem Scheitern der Neuregelung der Sterbehilfe im Bundestag weiter für die Stärkung der Suizidprävention ein. Kurschus: "Der Fokus von Staat und Gesellschaft muss daher auf einem konsequenten Ausbau der Suizidprävention, der Palliativmedizin und der Palliativpflege liegen."
Der Chef des Augustinums, Gengenbach, betont, man setze auf eine gute Palliativversorgung in den eigenen Einrichtungen sowie auf eine psychosoziale Begleitung als wichtige suizidpräventive Faktoren. Man biete "ein lebensbejahendes Umfeld". Doch sei auch der Zutritt von Sterbehilfeorganisationen möglich.
"Klarheit im Umgang mit der Suizidassistenz"
Für Peter Bartmann, Leiter des Zentrums Gesundheit, Rehabilitation und Pflege der Diakonie Deutschland, ist "Suizidassistenz nur im Ausnahmefall, nicht in der Regel zu verantworten. Aufgabe diakonischer Einrichtungen und Dienste ist es allerdings, Menschen mit Sterbewünschen, Suizidgedanken und auch dem Verlangen nach einem assistierten Suizid in ihren Wünschen ernst zu nehmen und zu begleiten." Es sei entscheidend, "dass die Einrichtungen und Dienste jeweils für ihren Verantwortungsbereich Klarheit im Umgang mit der Suizidassistenz schaffen, für die Klienten, aber auch für die Mitarbeitenden". Die Bundesdiakonie habe eine Handreichung erstellt, um diesen Klärungsprozess zu unterstützen.
Der Vorstandsvorsitzende von Bethel, Ulrich Pohl, lehnt jede Möglichkeit begleiteter Selbsttötung in den Einrichtungen ab. "Das ist mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar und kommt daher durch Mitarbeitende Bethels nicht infrage - auch wenn Betroffene es wünschen", sagte der Theologe. "Wir bieten umfassende Information über alle palliativen Möglichkeiten am Lebensende", sagte er dem epd. "In unseren Hospizen kann keine Unterstützung zum Suizid stattfinden", sagte der Vorstandsvorsitzende.
Christian Heine-Göttelmann, Vorstand der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, sagte dem epd, der rechtliche Rahmen, wann und wie Sterbehilfe zulässig sei, sei uneindeutig. Es gebe in den Einrichtungen der Landesdiakonie keine einheitliche Praxis. Manche Einrichtungen ließen unter bestimmten Rahmenbedingungen assistierten Suizid zu. Viele versuchten, "eine Haltung zu entwickeln", erklärte Heine-Göttelmann.