Es gibt hierzulande nur wenige Autoren, die ähnlich dichte Krimidrehbücher schreiben wie Holger Karsten Schmidt. Seine Geschichten sind schnörkellos und dennoch von einer Komplexität, die sich mitunter erst auf den zweiten Blick erschließt. Für seine Figuren gilt das nicht minder; den ersten Schein lässt er gern mal trügerisch sein. Werden seine Vorlagen dann auch noch von kongenialen Partnern umgesetzt, gehören die Ergebnisse regelmäßig zu den Höhepunkten des Fernsehjahres, wie nicht zuletzt die Grimme-Preise für "Mörder auf Amrum" (2010, Regie: Markus Imboden), "Mord in Eberswalde" (2014, Regie: Stephan Wagner) oder "Das weiße Kaninchen" (2017, Regie: Florian Schwarz) belegen.
Mit "Spiel auf Zeit" hat Schmidt 2013 dafür gesorgt, dass der "Tatort" aus Stuttgart an die Qualität der ebenfalls aus seiner Feder stammenden herausragenden Auftakt-Trilogie anknüpfte. Regie führte dabei Roland Suso Richter, der Schmidt seinen ersten Kinoerfolg zu verdanken hat ("14 Tage lebenslänglich", 1996). Offenbar hat die erneute Zusammenarbeit nicht nur diesen beiden, sondern auch Richy Müller, dem Hauptdarsteller des Stuttgarter "Tatort", großen Spaß gemacht. Für "Ein todsicherer Plan" (Erstausstrahlung war 2014) hat sich das Trio wieder zusammengefunden; das Ergebnis ist ein Hochspannungs-Thriller, wie man ihn bei ARD und ZDF nur äußerst selten sieht.
Dabei ist der Prolog ausgesprochen harmlos: Irgendwo in der badischen Provinz verabschiedet sich Kleinstadtschreiner Roth (Müller) wie jeden Morgen von Frau (Anke Sevenich) und Tochter und macht sich auf den Weg zur Arbeit. Heute jedoch führt ihn sein Weg zur Bank: Gemeinsam mit seinem früheren Angestellten Buchert (Martin Butzke) will er einen Geldtransport überfallen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Aber der vermeintlich todsichere Plan geht gründlich schief: Plötzlich finden sich die beiden Amateure in der örtlichen Bankfiliale wieder, ihr Fahrer setzt sich ab, die Fluchtwege sind im Nu versperrt; zu allem Überfluss enthält die Kiste aus dem Transporter bloß ein paar lumpige Scheine. Weil der Komplize umgehend geschnappt wird, weiß die Polizei, wer die Ganoven sind; nun gibt es kein Zurück mehr in ihr altes Leben.
Mit dem Beginn des Überfalls beginnt praktisch bereits das Finale. Zwischendurch gibt es kurze Verschnaufpausen, aber im Grunde sammelt der Film in diesen Momenten bloß Kraft, um anschließend mit noch größerer Intensität weiterzumachen. Schmidt nutzt diese Szenen, um den Hauptfiguren mehr Tiefe zu geben: Buchert entpuppt sich als ehemaliger Berufssoldat und Sprengstoffexperte, der seit einem Afghanistan-Einsatz als psychisch labil gilt; und Roth, der sich von seiner Hausbank bloß zurückholen will, was ihm zusteht, erfährt, dass er das Opfer einer miesen Strategie geworden ist.
Der ohnehin nicht als eiskalter Verbrecher angelegte Schreiner wird auf diese Weise erst recht zum Sympathieträger; auch für die Bankangestellten. Spätestens jetzt erinnert "Ein todsicherer Plan" an Sidney Lumets grandiosen Klassiker "Hundstage" (1975), zumal der Thriller den Vergleich nicht scheuen muss. Das unrühmliche Verhalten der Sensationsjournalisten wiederum weckt umgehend Assoziationen zum Geiseldrama von Gladbeck, mit dem sich Schmidt einige Jahre später befasst hat; für sein Drehbuch zu "Gladbeck" (2019 als Bester Mehrteiler mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet) hat er den Bayerischen Fernsehpreis bekommen.
Dank vieler oft bloß angedeuteter Nebenstränge entwickelt "Ein todsicherer Plan" eine eindrucksvolle Komplexität. Trotz der auf das berühmte Brecht-Zitat ("Was ist der Überfall auf eine Bank gegen die Gründung einer Bank?") verweisenden und keineswegs nur subtil vorgetragenen Kritik an moralisch verwerflichen Geldgeschäften setzt Richters Umsetzung in erster Linie auf Nervenkitzel, denn selbstredend wird die Polizei die Bankräuber nicht davon kommen lassen: Gegenspieler des Duos ist eine LKA-Beamtin, und auch die hat einen Plan.
Die zunächst überraschende Besetzung dieser kühl kalkulierenden Kommissarin mit Julia Brendler entpuppt sich als ebenso treffend wie die Zusammenstellung des Ensembles innerhalb der Bank, selbst wenn die Darsteller mit Ausnahme von Frederick Lau kaum bekannt sind. Ähnlich gelungen wie die Führung der Darsteller sind Bildgestaltung (Jürgen Carle, Christoph Schmitz) und Schnitt (Isabelle Allgeier), und auch die Musik (Ulrich Reuter) hat großen Anteil daran, dass der Film eine enorme Intensität erreicht, die schließlich in einen schockierenden Schluss kulminiert.