Der heilige Dionysius ist ein Versehrter: Mit dem Kopf in der Hand stellte ihn ein anonymer Meister um 1450 als Skulptur dar. Doch trotz seines bedauernswerten Zustands galt der im 3. Jahrhundert wegen seines Glaubens geköpfte Bischof von Paris vielen Gläubigen als Kraftquelle. Der französische Nationalheilige half zahlreichen Menschen mit Kopfleiden aller Art, die sein Bildnis anriefen und an die heilende Kraft des Märtyrers glaubten.
"Menschen brauchen manchmal Wunder", erklärt Susanne Blöcker, Kuratorin der Ausstellung "Heilige Körper" im Arp Museum. Anhand von 50 Werken erzählt die Schau vom Bedürfnis der Menschen, Religion und Spiritualität durch Kunst greifbar und begreifbar zu machen.
Die Ausstellung in der Kunstkammer Rau präsentiert bis zum 1. April kommenden Jahres hochkarätige Gemälde und Skulpturen, die Zeugnis christlicher Glaubenswelten vom Mittelalter bis in die Anfänge der Moderne geben. Zu sehen sind Arbeiten aus der im Arp Museum beheimateten Sammlung Rau für Unicef, darunter Werke von Fra Angelico, Lucas Cranach d.Ä., Antonio Solario, Nicola Posano, Jusepe de Ribera und Maurice Denis.
Vor allem im Mittelalter und in der frühen Neuzeit spendete religiöse Kunst Menschen Trost und Hoffnung. Vor Pilgerstätten oder Kirchen mit besonders verehrten Heiligenfiguren wurden Berührungszettel an Gläubige ausgegeben. Wenn das Papier mit diesen "heiligen Körpern" in Kontakt kam, nahm es nach dem Glauben der Pilger deren heilende Kraft auf.
So mögen Gläubige auch bei der Skulptur von Barbara, der Schutzheiligen der Bergleute, Heilung erbeten haben. Die Ausstellung zeigt eine Figur aus der Werkstatt des Meisters des Retabels in Lautern von 1509. Barbara wird ähnlich einer Marienfigur mit gekröntem Haupt und in einem goldenen Umhang mit reichem Faltenwurf dargestellt.
Trost fanden die Menschen des christlichen Abendlandes aber vor allem im Leben und Tod Christi. So betont die Kunst des Spätmittelalters das Familienleben Jesu und seiner Eltern. Ab Mitte des 14. Jahrhunderts wird Europa immer wieder von tödlichen Pest-Epidemien heimgesucht. Viele Menschen verlieren ihre Angehörigen oder Ehepartner und bleiben allein zurück.
Die Abbildung des harmonischen Miteinanders der heiligen Familie mit Maria, Josef und dem Jesuskind sei für die Menschen oftmals ein Trost gewesen, erklärt Blöcker. Zur selben Zeit rückt auch die Gottesmutter Maria den Menschen näher. Statt als ferne Himmelskönigin wird sie nun als liebende Mutter dargestellt. Eine Skulptur aus der Werkstatt des Meisters von Kirchheim am Ries (1496-1505) zeigt Anna, ihre Tochter Maria und Jesus, die sich in inniger Verbundenheit an den Händen halten.
Auch rund 300 Jahre später ist das Motiv noch aktuell. Aufgegriffen wird es im französischen Symbolismus, der sich für mystische Spiritualität interessiert. Maurice Denis malt 1869 die Frau des Sammlers Fontaine mit ihrem neugeborenen Sohn. In ein langes weißes Kleid gehüllt, hält die Frau das nackte Kind auf dem Schoß. Das Mutter-Kind-Duo ist ähnlich einer mittelalterlichen Madonna von einem gold-gelben Lichtraum umgeben.
Ein Kapitel widmet die Ausstellung dem Thema des rituellen Opfers, das in vielen Weltreligionen Bedeutung hat. Im Alten Testament sind es Tieropfer, die der Kommunikation zwischen Mensch und Gott dienen. Ein Beispiel ist die Gabe eines Tiers, das Noah Gott nach der Sintflut als Dank dafür opfert, dass er seine Arche verschont hat. Im Neuen Testament wird Christus selbst zum Opfer, einem "Lamm Gottes": Durch seinen Kreuzestod versöhnt Gott die Welt mit sich.
Die Themen der Ausstellung sind nach den Worten von Museumsdirektorin Julia Wallner nicht nur in der christlichen Welt von zentraler Bedeutung, sondern spielen in allen Weltreligionen eine Rolle. Eine wichtige Funktion in der christlichen, jüdischen und islamischen Religion haben Propheten, die von zahlreichen Künstlern dargestellt werden. Etwa der Heilige Hieronymus oder der jüdische Prophet Jesaja im Alten Testament. "Visionen liefern das spirituelle Fundament einer Religion", sagt Blöcker.