Nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs entstanden viele globale Zusammenschlüsse, wie etwa die Vereinten Nationen oder die Weltgesundheitsorganisation. Vor 75 Jahren schlossen sich auch Christen aus aller Welt nach langer Vorgeschichte zum Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) zusammen. Am 23. August 1948 wurde der Weltkirchenrat offiziell gegründet, eine der nach eigenen Angaben "wohl vielfältigsten Kirchengemeinschaften der Welt".
Auf der ersten ÖRK-Vollversammlung in Amsterdam vom 22. August bis 4. September 1948 trafen sich unter dem Leitthema "Die Unordnung der Welt und Gottes Heilsplan" Vertreter aus 147 Kirchen verschiedener Konfessionen. Heute ist der Weltkirchenrat, wie der ÖRK auch genannt wird, eine Allianz von 352 Kirchen aus mehr als 120 Ländern, die weltweit mehr als 580 Millionen Christen repräsentieren. Die katholische Kirche ist kein Mitglied, arbeitet aber mit dem ÖRK zusammen.
Krieg, Klimawandel, Kluft zwischen Arm und Reich
Bei der Gründung des Weltkirchenrates warf der Ost-West-Konflikt bereits seine Schatten auf Europa und die Welt. 75 Jahre später ist der ÖRK mit dem Ukraine-Krieg, dem Klimawandel und der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich konfrontiert. Das waren auch die zentralen Themen auf der inzwischen 11. ÖRK-Vollversammlung vom 31. August bis 8. September 2022 in Karlsruhe mit mehr als 2.000 Teilnehmern.
Nach Ansicht des Vorsitzenden des ÖRK-Zentralausschusses, Heinrich Bedford-Strohm, muss sich der globale Kirchenbund noch stärker als "Instrument des Friedens" einsetzen. In einer Welt der Krisen und Konflikte müsse er "Fürsorge für die Welt" tragen, sagte der bayerische Landesbischof und frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Juni in einer ÖRK-Jubiläumsfeier.
Bewegung habe große Erfolge vorzuweisen
Der Weltkirchenrat hat nach Ansicht des Ökumene-Experten Kai Funkschmidt viel zum Abbau der Spannungen zwischen den Kirchen beigetragen. "Die ökumenische Bewegung hat große Erfolge vorzuweisen", sagte der Wissenschaftliche Referent für Anglikanismus und Weltökumene am Konfessionskundlichen Institut im südhessischen Bensheim: Im 20. Jahrhundert "lag es in der Luft, dass die Kirchen sich annähern."
An der Kirchenbasis sei vieles vorhanden, "was wir heute für selbstverständlich nehmen, aber was vor 50 Jahren undenkbar gewesen wäre", fügte Funkschmidt hinzu. Heute sei der Einfluss des ÖRK auf die ökumenische Bewegung aus seiner Sicht allerdings längst nicht mehr so stark wie etwa noch vor rund 40 Jahren, räumte er ein: "Damals ging es dem ÖRK besser als heute, war er wichtiger, hat vieles bewirkt". Der Weltkirchenrat sei damals insgesamt mehr wahrgenommen worden.
Vermittler zwischen Ost und West
Aktuell will der Weltkirchenrat im Ukraine-Konflikt vermitteln. Für Oktober ist ein Runder Tisch mit Vertretern der orthodoxen Kirchen aus Russland und der Ukraine in Genf geplant. Der ÖRK-Generalsekretär, der Südafrikaner Jerry Pillay, setzt weiter auf Dialog mit der Russischen Orthodoxen Kirche. Diese steht in der Kritik, weil der Moskauer Patriarch Kyrill den russischen Angriffskrieg unterstützt und als Vertrauter von Präsident Wladimir Putin gilt. Die russisch-orthodoxe Kirche ist die größte unter den 352 ÖRK-Mitgliedskirchen. Auf seiner Vollversammlung in Karlsruhe 2022 hatte der Weltkirchenrat den russischen Angriffskrieg klar verurteilt.
Als weitere Zukunftsthemen des ÖRK benannte der Theologe Funkschmidt die Bereiche Ökologie und Klimagerechtigkeit, "weil das alle Kirchen, alle Menschen betreffen wird". Er vermute auch, dass der Konflikt mit der islamischen Welt eher zunimmt. Die Frage sei, was der ÖRK als christliche Vereinigung zu aktuellen Themen beisteuern könne, "was genuin christlich ist und nicht nur eine Wiederholung dessen, was in der politischen Sphäre ohnehin diskutiert wird".
Für das Jahr 2025 plant der Rat zahlreiche Aktivitäten zur 1.700-Jahr-Feier des ersten ökumenischen Konzils von Nizäa im Jahr 325, laut ÖRK ein entscheidender "Moment in der Geschichte des christlichen Glaubens und für die ökumenische Bewegung heute".
Das erste ökumenische Konzil war eine Zusammenkunft von Bischöfen in Nizäa, dem heutigen Iznik in der Türkei. Es gilt als der erste Versuch, durch eine Versammlung von Vertretern der gesamten Christenheit Konsens in der Kirche zu erzielen. Dazu erklärte ÖRK-Generalsekretär Pillay: "Damals wie heute erklang der Aufruf zu Einheit im Kontext einer aufgewühlten, ungleichen und gespaltenen Welt."