Einhorn-Schwimm-Ring
© Vlad Vasnetsov/Pixabay
Das Einhorn begegnet uns an verschiedenen Orten im Alltag – sowohl am Badesee als in Form von Schwimmringen als auch als facettenreiches Kinderspielzeug.
Glitzer und Glaube
Die Magie des Einhorns
Einhörner faszinieren seit der Antike. Das Fabelwesen taucht auf Kunstwerken mit der Jungfrau Maria auf und schaffte es durch einen Übersetzungsfehler sogar in die Bibel. Heute schwimmen Plastikeinhörner im See oder zieren Schultüten.

Strahlend weiß, mit goldenem Horn, buntem Schweif und ganz viel Glitzer: So sehen Einhörner aus, zumindest wenn man nach Plüschfiguren, T-Shirts, Kinder-Rucksäcken oder aufblasbaren Schwimmringen an Baggerseen geht. Der Trend dauert seit vielen Jahren an und scheint unverwüstlich.

"Das Einhorn war so gleißend weiß, dass der Schnee um es herum grau schien. Es stampfte nervös mit den goldenen Hufen und warf seinen gehörnten Kopf", heißt es in "Harry Potter und der Feuerkelch" über das Fabelwesen. Im Märchen vom tapferen Schneiderlein muss ein Einhorn gefangen werden und auch die rosa Bilderbuch-Prinzessin Lillifee hat natürlich ein schneeweißes Exemplar an ihrer Seite.

Die Geschichte des fantastischen Tierwesens - ein pferdeähnliches Geschöpf mit einem einzelnen Horn auf der Stirn - reicht weit zurück in die Antike. Zuerst wurde es wohl vom griechischen Arzt und Geschichtsschreiber Ktesias von Knidos beschrieben, wie die Altphilologen Bernd Roling und Julia Weitbrecht in ihrem Buch "Das Einhorn" (2023) erklären.

Historisch betrachtet geht das Einhorn, das einem Pferd ähnelt, aber ein charakteristisches Horn auf der Stirn besitzt, bis in die Antike zurück.

In einem Text über Indien beschrieb dieser im 5. Jahrhundert vor Christus ein geheimnisvolles Wesen mit dunkelrotem Kopf, blauen Augen und einem einzelnen, weiß-rot-schwarzen Horn auf der Stirn. Als Trinkgefäß benutzt, sollte ein solches Horn vor Krampfanfällen und Giften schützen.

Farblich und mit seinen magischen Fähigkeiten erinnere das pferdeähnliche Wesen an heutige Comic-Einhörner, finden Roling und Weitbrecht. Und benennen das Problem der ersten Einhorn-Legende: Ktesias von Knidos war nie selbst in Indien, sondern verließ sich auf Schilderungen anderer.

Einhörner galten noch im 16. Jahrhundert als existent

Und dann geschah, was heute als "Copy and Paste" bezeichnet wird: Die Schilderungen des Mediziners wurden von anderen Autoren jahrhundertelang übernommen. "Noch im 16. Jahrhundert wurden Einhörner als existent und Teil der Schöpfung angesehen", erläutern die Experten. In Tobias Stimmers Bilderbibel (1576) sieht man zwei Einhörner, die in die Arche Noah gehen.

Die frühchristliche Naturlehre "Physiologus" beschreibt Einhörner als menschenscheue Wesen, die sich nur von einer Jungfrau zähmen lassen. Auf Kunstwerken wie dem Erfurter Einhornretabel aus dem 15. Jahrhundert ist Maria mit einem Einhorn abgebildet, das Wesen wurde auch zum Symbol für Christus. Ein berühmtes Werk des italienischen Malers Raffael (1483-1520) zeigt eine "Dame mit dem Einhorn" (1506).

In der Bibel erscheint neben Wolf, Lamm und Löwe ein wildes Tier, das auf Hebräisch als "re'em" bezeichnet und später mit "monokeros", also Einhorn - oder auch Nashorn - übersetzt wurde. So heißt es in der Luther-Übersetzung von 1912 in Psalm 22,21 noch: "Hilf mir aus dem Rachen des Löwen und errette mich von den Einhörnern". In der Lutherbibel von 2017 wurden die "Einhörner" dann durch "wilde Stiere" ersetzt, die wohl eigentlich gemeint waren.

Populär war auch der Glaube an die vermeintliche Heilkraft: Hildegard von Bingen empfahl, Einhorn-Leber zu zerkleinern und eine Salbe daraus zu machen. Geriebenes "Einhornpulver" war einst begehrtes Arzneimittel, zeitweise soll man es mit dem Zehnfachen an Gold aufgewogen haben. Für manche Apotheken war das ein einträgliches Geschäft, sodass sie sich danach benannten. Die Einhorn-Apotheke in Darmstadt stellt heute klar: "Das Horn ist eigentlich der Zahn eines Narwals."

Heute auch ein Geschäftsmodell

Tatsächlich waren es die langen Stoßzähne der Wale, die findige Jäger und Geschäftemacher als "Einhörner" verkauften. Das flog erst im 18. Jahrhundert auf, als der Naturforscher Carl von Linné erstmals ein "See-Einhorn" beschrieb - den Narwal.

Auch im aufgeklärten 21. Jahrhundert taugt das Fabelwesen noch als Geschäftsmodell, nicht nur als Vorbild für Plüschtiere und Schultüten: "Mit der Energie der Einhörner in Kontakt zu treten, bedeutet, bereit zu sein für eine höhere Bewusstseinsebene", heißt es etwa bei einem Anbieter von Lebenshilfe-Seminaren. Ganz real sind dagegen Einhörner in der Finanzwelt: Als "Unicorn" (englisch für Einhorn) werden Start-up-Unternehmen mit einer Bewertung von über eine Milliarde Euro vor ihrem Börsengang bezeichnet.