Neuanfang als Rückkehr: Seit 1. Mai ist Heike-Andrea Brunner-Wild als evangelische Pfarrerin im Passionsspielort Oberammergau für die gut 1000 Protestanten zwischen Ettal und Wildsteig zuständig. Die Region ist der 60-Jährigen nicht fremd. Schon vor gut 30 Jahren hat sie hier das evangelische Café während der Passion geleitet - beste Voraussetzungen für die Vorbereitungen zu den nächsten Spielen im Jahr 2030.
"Es war seit meiner Studienzeit mein Traum, eine Pfarrstelle in einer Urlaubsregion zu übernehmen", sagt die Theologin und Tanztherapeutin. Die Welten zu verbinden von Menschen, die dort leben und arbeiten, und jenen, die sich dort im Urlaub entspannen wollen, sei eine Herausforderung. Bei der ersten Passion des Spielleiters Christian Stückl leitete sie 1990 als 27-Jährige fünf Monate lang den Cafébetrieb der evangelischen Gemeinde. Mit den zahlreichen Gästen aus den USA und aus Nordeuropa habe sie damals gelernt, "einladende gastliche Kirche zu sein", erinnert sich Brunner-Wild. "Diese prägende Oberammergauer Erfahrung ist in meinem Berufsleben immer wieder aufgeploppt", sagt die Pfarrerin, die zuletzt in der fränkischen Gemeinde Hemhofen tätig war.
Beeindruckt habe sie damals die schauspielerische Leistung der Dorfbewohner und wie viele Menschen aus aller Welt für die Passion in das Ammertal reisten: "Viele haben tiefe Glaubenswurzeln, es ist für sie persönlich wichtig, die Spiele zu sehen." In ihren ersten Wochen als Pfarrerin habe sie mit großem Interesse die Erzählungen von der Passion 2022 gehört, an der auch zahlreiche evangelische Gemeindemitglieder mitgewirkt hatten.
Gute Zusammenarbeit mit katholischem Team
Ihr Fazit: "Die Passion ist die prägende Erfahrung in Oberammergau. Die Menschen sind stolz darauf, dass sie das gemeinsam stemmen können." Und wo könne man schon, wie es ihrem Mann kurz nach dem Einzug passiert war, Jesus auf dem Recyclinghof treffen? "Das geht nur in Oberammergau", lacht Brunner-Wild.
Auch das Dorf nimmt die neue Pfarrerin, deren zwei erwachsene Kinder in Aachen und Magdeburg leben, neugierig auf. Bei einer Beerdigung sei sie gefragt worden, ob es in Ordnung sei, wenn neben dem Erdhaufen samt Schaufel auch ein Weihwasserbecken für die Angehörigen stünde - evangelische Tradition ist das nicht. Für Brunner-Wild kein Problem: "Wenn das für die Trauernden wichtig ist, ist das für mich völlig in Ordnung."
Mit dem katholischen Team gebe es eine gute Zusammenarbeit bei den Klinik- und Schulgottesdiensten. Die Gemeinsamkeiten pflegen und dabei auch das protestantische Profil sichtbar machen, ist Brunner-Wilds Ziel. "Als Evangelische haben wir viele Freiheiten - ich möchte die Menschen einladen, das gemeinsam zu entdecken."
Bleibt nur ein winziges Fragezeichen mit Blick auf die nächste Passion 2030 - denn das offizielle Ruhestandsdatum von Heike-Andrea Brunner-Wild wäre im Jahr 2029. Die 60-Jährige schüttelt energisch den Kopf: "Ich werde sicher nicht 2029 gehen", stellt sie fest. Stattdessen sei sie - "wenn ich gesund bleibe und es gut läuft" - offen für ein Extra-Jahr, um die lange Vorbereitungsphase der Passion auch zum Ende zu bringen.