Letzte Woche hat RTL gezeigt, wie Henning Baum, ausgebildeter Rettungssanitäter, bei seinem dritten "Einsatz" einer alten Frau das Leben gerettet hat. Heute wiederholt der Sender den Einsatz aus dem letzten Jahr. Als Mitglied des Rettungsdienstes waren die Strapazen eher psychischer Natur, schließlich war das keine Stippvisite aus Jux und Dollerei, aber bei der Bundeswehr musste Baum an seine Grenzen gehen: Der Schauspieler hat zwar ein doppelt so breites Kreuz wie die Rekruten, mit denen er zu Beginn in die Kaserne kommt, doch er ist auch doppelt so alt. Als Ausbildungsziel hat er sich ausgerechnet eine der größten Herausforderungen ausgesucht, die die Bundeswehr zu bieten hat: Pilot des Eurofighters.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Schon der erste Härtetest führt den Westfalen, der im September 51 wird, an seine Grenzen: Um rauszufinden, ob er überhaupt flugtauglich ist, muss er bei der Startsimulation in der Hochleistungszentrifuge Kräfte von bis zu 5 G aushalten; das entspricht einer Gewichtskraft von knapp 400 Kilogramm. Kein Wunder, dass er auf den entsprechenden Aufnahmen nicht besonders entspannt wirkt.
In seinen Rollen geht Baum gern auch mal dahin, wo’s weh tut, dabei sei er gar kein "harter Hund", wie er versichert: Achterbahn mag er gar nicht, die "Wilde Maus" war bei Kirmesbesuchen das höchste der Gefühle. Zu diesem Zeitpunkt kann er noch nicht ahnen, dass die Zentrifuge im Vergleich zu seinem Jungfernflug die reinste Karussellfahrt ist.
Die Dokumentation ist gerade in diesen Zeiten allerdings weit mehr als bloß ein Abenteuer für einen Schauspieler, der selbst nie eine Grundausbildung absolviert hat: Baum, für die Sat.1-Serien "Mit Herz und Handschellen" und "Der letzte Bulle" mit Preisen geehrt, hat in den frühen Neunzigern seinen Zivildienst als Rettungssanitäter geleistet. Der russische Überfall auf die Ukraine hat die Rahmenbedingungen des Besuchs beim "Bund" jedoch gründlich verändert. Die Stippvisite bei der Polizei hatte sich nicht zuletzt durch die Gespräche ausgezeichnet, die Baum mit unterschiedlichsten Menschen geführt hat; darunter auch solche, die bei einem Einsatz lebensgefährlich verletzt worden sind. Diese Ebene gibt es diesmal auch.
Eine besondere Rolle spielen dabei die Auslandseinsätze: Ein Soldat ist in Afghanistan, wie Baum es formuliert, "durch die Hölle gegangen", mit einem Kriegstrauma heimgekehrt und immer noch in therapeutischer Behandlung. Ein Ausflug nach Mali dokumentiert die enormen Anspannungen, mit denen die UN-"Blauhelme" tagtäglich in dem westafrikanischen Staat klarkommen müssen. Mit der Dokumentation, sagt Baum, "wollte ich die Bundeswehr und die Menschen, die dort unserem Land dienen, kennenlernen und einen möglichst realen Einblick vermitteln. Mein Wissen über die Truppe war zuletzt sehr an negative Nachrichten gekoppelt, wenn irgendetwas nicht funktionierte. Dabei ist die Bundeswehr kein Staat im Staat, sondern Teil unserer Gesellschaft."
Wenn die Deutschen die Soldatinnen und Soldaten erst mal kennen lernen, hofft er, "stellt sich möglicherweise wieder mehr Verständnis und Wertschätzung für ihre Arbeit ein". Darüber hinaus bietet die Dokumentation unter anderem durch ein Gespräch Baums mit Verteidigungsministerin Christine Lambrecht einen Rückblick auf die letzten Jahre sowie einen kritischen Blick auf den Status quo.
Der spezielle Reiz von "Einsatz für Henning Baum" resultiert aber natürlich aus der tatkräftigen Mitwirkung des Titelhelden, der sich wie schon beim letzten Mal keineswegs auf die Rolle des teilnehmenden Beobachters beschränkt. Der Essener hat zwar immer einen launigen Spruch auf Lager, aber es gibt durchaus Situationen, in denen selbst ihm der Sinn nicht mehr nach Scherzen steht.
Eine Geländeübung fühlt sich trotz der verwendeten Platzpatronen ziemlich ernst an; Bundeswehr "ist kein Abenteuerspielplatz", wie Baum feststellt. Das gilt erst recht für eine Notwasserung im sechs Grad kalten Nordseewasser; trotz Angora-Unterwäsche wirkt er mutterseelenallein auf hoher See ziemlich unglücklich. Kurz drauf ist seine Stimmung schon wieder gut genug, um an Bord fröhlich den Hans-Albers-Klassiker "La Paloma" zum Besten geben.
Höhepunkt des Films, allerdings nur aus Sicht des Publikums, ist der Flug im Eurofighter, bei dem ihm das Lachen endgültig vergangen ist; angesichts von 5,6 G kein Wunder. "Wir haben einen Vorfall auf dem Rücksitz", heißt es lakonisch im Funkverkehr. Nach der Landung drückt ihm ein Soldat eine Wasserflasche und einen Kaugummi in die Hand – "für den Atem". Um 22.35 Uhr zeigt RTL erstmals im frei empfangbaren Fernsehen, wie Baum und der Kollege Wotan Wilke Möhring gemeinsam mit Spezialkommandos der Polizei Antiterror-Einsätze trainiert haben.