Die beiden Fassaden-Rosetten leuchten beim Betreten der Museumskirche St. Ulrich in Regensburg - und tauchen den frühgotischen Kirchenraum in eine geradezu heitere Atmosphäre. Die stark in Felder unterteilte Rosette an der Westseite wird von einem lachenden Engel dominiert: Er schmunzelt, während er die Hände nach oben ausstreckt und die Menschen ins himmlische Paradies erhebt. Dabei erinnert er an den lachenden Engel, die berühmteste Figur aus dem Regensburger Dom gleich nebenan.
Im oberen Teil der Rosette herrschen Licht und Fröhlichkeit. Die dunkle, untere Hälfte des Runds fokussiert mehr auf die Vergänglichkeit und Verdammnis auf Erden. Totenköpfe sind zu erkennen. Der Maler und Bildhauer Markus Lüpertz hat in St. Ulrich eine hoffnungsvoll-christliche Vision für die Menschheit gezeichnet.
Vom 25. bis 30. Juli sind seine Glaskunstwerke bei zahlreichen Führungen und kleinen Konzerten zu besichtigen. Später ist ein Besuch nur mehr per Anmeldung möglich, denn die Museumskirche wird als besonderer Ort des gerade entworfenen Museumsquartiers des Bistums Regensburg am Dom erst wieder 2026 geöffnet.
Mit Spannung wurde erwartet, wie der fast 800 Jahre alte Kirchenraum aus der Zeit der Frühgotik aussehen würde, wenn Lüpertz ihn mit seinen expressiven Figuren und seiner kraftvollen Farbigkeit ausstattet. Der 82-Jährige gestaltet seit Langem Kirchenfenster, ob für die Kölner Dominikanerkirche St. Andreas oder die Bamberger Elisabethkirche. Meist reagieren die Kirchengemeinden euphorisch auf die Kunst Lüpertz‘. Streit gab es nur in der Marktkirche in Hannover, für die er ein zwölf Meter hohes Reformationsfenster entworfen hat. Doch auch der ist mittlerweile beigelegt.
Seine starken Entwürfe hatte Lüpertz 2021 zu einer Ausstellung in St. Ulrich mitgebracht. "Wir kannten nur die Entwürfe, als ich zum ersten Mal in der Glasmalwerkstatt in Taunusstein war. Ich war sehr aufgeregt, wie es umgesetzt aussieht", sagt Maria Baumann, die Leiterin der Kunstsammlungen der Diözese Regensburg. Nach dem Einbau der Fenster ist Baumann "sehr glücklich, dass dieses Leuchten der Museumskirche St. Ulrich eine ganz andere Atmosphäre gibt".
Zum einen habe Lüpertz in seiner Glaskunst in der Tradition des Mittelalters gearbeitet: Bleistege verbinden die etwa 2000 einzelnen Glasstücke miteinander, "genauso wie in der Zeit der Gotik gearbeitet wurde". Zum anderen nehme Lüpertz die christliche Bildsprache auf: Der Fisch als urchristliches Symbol wird sowohl als Ornament als auch als Attribut und Erkennungszeichen des Heiligen Ulrich, des Patrons der Kirche, beispielsweise in der Ostrosette aufgegriffen.
An den Glaskunstwerken sei zu spüren, "dass er sich nicht gegen den Raum positioniert, sondern sein Werk organisch, mit eigenem Akzent zwar, aber diesen in den Raum setzt und eben stimmig einfügt", betont Baumann. Auffallend war für sie, dass Lüpertz, der renommierte "Malerfürst", dem Raum der profanierten Kirche von Anfang an "mit Respekt und auch Demut" begegnet ist.
Lüpertz sei von dem gotischen Juwel sofort begeistert gewesen, als die Kunsthistorikerin ihn zum ersten Mal durch die Museumskirche führte. Bei der Gelegenheit sei auch die Idee entstanden, dass St. Ulrich - seit langem ein Museum, aber ursprünglich zwischen 1220 und 1230 als herzogliche Kapelle errichtet - auch bunte Fenster brauchen könnte, "weil relativ untypisch für eine gotische Kirche nur Klarsichtfenster realisiert waren". Eine ursprünglich farbige Glasarchitektur hält Baumann für wahrscheinlich, weil sich die Baumeister an den Kathedralen in Paris und Laon orientierten. Jedenfalls sagte Lüpertz dem Projekt spontan zu. Das war 2020.
Auf Akzeptanz sei das Vorhaben auch bei den zuständigen Behörden gestoßen. Der Freistaat Bayern als Eigentümer, der Regensburger Bischof, das Domkapitel, die Denkmalpflege: Alle hätten ihr Einverständnis erklärt, damit in der frühgotischen Kirche neue Fenster eingesetzt werden konnten. Selbst die Finanzierung sei schnell angelaufen. Sie wurde ausschließlich von Privatleuten, darunter etliche Großspender, getragen.
Und Markus Lüpertz kündigte an, auf sein Honorar verzichten zu wollen, sollte das Geld nicht reichen, sagt Baumann. "Im Moment muss er noch verzichten."