Vielmehr gehe es darum, eigenen Sprachgebrauch zu reflektieren und eine Haltung zu finden. Lautenschläger ist Gastprofessorin für die Themen Gender und Diversity an der Leibniz Universität Hannover.
Der Rat für Deutsche Rechtschreibung hatte bei seiner Sitzung in der vergangenen Woche keine neue Empfehlung zum Umgang mit verkürzenden Zeichen wie Sternchen oder Doppelpunkt abgegeben. Diese Wortbinnenzeichen gehörten nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie, hieß es. Die Entwicklung sei noch nicht abgeschlossen und werde vom Rat weiter beobachtet.
Langjährige Kontroversen über Sprache sind Lautenschläger zufolge nicht neu und keinesfalls eine Besonderheit der Gender-Debatte. "Die Diskussion über gendergerechte Schreibweisen reiht sich ein in eine lange Tradition von Sprachkritik, Sprachnormenkritik und umkämpfte Deutungshoheit, deren Entwicklung nicht abgeschlossen ist", betonte die Linguistin. Sprache sei kein objektives, neutral abbildendes Medium, sondern enthalte immer bestimmte Perspektiven auf Welt und Wirklichkeit. Sprachkritik sei häufig auch Kritik an der Gesellschaft. "Sprachwandel und Gesellschaftswandel gehen Hand in Hand", so Lautenschläger.
Die Professorin betonte, dass das jahrhundertelang verwendete generische Maskulinum kein Naturgesetz sei, sondern das "Produkt einer Gesellschaftsordnung, in der Männern eine Vormachtstellung eingeräumt wurde". Feministische Linguistik habe bereits in den 1970er Jahren an diesem patriarchalen Gesellschaftsgerüst zu rütteln begonnen und kritisch hinterfragt, warum das Männliche die Norm und alles andere die Abweichung sein soll.
Geschlechteridentitäten berücksichtigen
"Seitdem gibt es Bemühungen um geschlechtergerechte Sprache." Wer Geschlechtsidentitäten berücksichtigen wolle, ohne Sternchen oder Doppelpunkt zu benutzen, habe etliche Möglichkeiten. Eine sei etwa Verwendung von Partizipien ("Teilnehmende" statt "Teilnehmer") oder von Abstraktionen ("Lehrkraft" oder "Lehrperson" statt "Lehrer"). Auch Passivformen oder direkten Ansprachen (""Füllen Sie für die Bewerbung den Antrag aus" statt "Bewerber müssen einen Antrag ausfüllen") und die Formulierung von Relativsätzen ("Alle, die teilnehmen, erhalten eine Urkunde" statt "Alle Teilnehmer erhalten eine Urkunde") seien Möglichkeiten, das generische Maskulinum zu vermeiden.