Es ist wie in den biblischen Berichten: Wo Jesus auftaucht, sind die Menschen nicht weit. So auch an diesem Dienstagabend an einem kleinen See in Midlothian im US-Bundesstaat Texas. Jünger, Schaulustige und jede Menge Crew-Mitglieder drängen sich um Jesus-Darsteller Jonathan Roumie. Hier, auf einem riesigen Campus der Heilsarmee, drehen sie gerade die vierte Staffel der Erfolgsserie "The Chosen" (Die Auserwählten). Die ersten drei Folgen wurden weltweit bislang mehr als 500 Millionen Mal angesehen und in über 60 Sprachen übersetzt. In Deutschland hat die Stiftung Christliche Medien (SCM, Holzgerlingen bei Böblingen) den Vertrieb übernommen.
Nicht nur die Zuschauerzahlen sind rekordverdächtig: Das Filmset, an dem die Außenaufnahmen gedreht werden, entstand in nur neun Monaten. Dort finden sich unter anderem Tempel, Marktplatz sowie römisches und jüdisches Viertel Jerusalems. Die Bauten sind detailverliebt. Säulen, Türen und Bodenmosaike hat man in aller Welt zusammengetragen und hier neu verbaut. Die Holzplanken der Stege am See haben Handwerker einzeln von Hand bearbeitet, um den Zuschauern möglichst realistisch den Eindruck zu vermitteln, es handele sich um einen Schauplatz aus dem 1. Jahrhundert.
Für die Innen- und die Tonaufnahmen errichteten die Macher der Serie eine 3.200 Quadratmeter große Klangbühne, die an einen Flugzeughangar erinnert. Sie ist die größte derartige Konstruktion im gesamten Bundesstaat Texas, wie die Verantwortlichen nicht ohne Stolz verkünden. Dank kompletter Schallisolierung kann rund um die Uhr unabhängig von äußeren Licht- und Lärmverhältnissen gefilmt werden. Das ehrgeizige Ziel der Produzenten: zwei weitere solcher Hallen zu errichten, um künftig mehrere Produktionen parallel drehen zu können. Das alles ist umso beachtlicher, weil es sich bei "The Chosen" um ein rein spendenfinanziertes Projekt (Crowdfunding) handelt. Allein für die ersten vier Staffeln wurden fast 100 Millionen Euro eingesammelt.
Leben Jesu authentisch erzählen
Der Anspruch der Macher von "The Chosen" ist aber nicht - wie man bei einem Projekt wie diesem aus den USA meinen könnte - zuallererst ein missionarischer, sondern ein ganz professioneller. "Mein Ziel ist es, das Leben Jesu authentisch zu erzählen", sagt Regisseur Dallas Jenkins. "In erster Linie möchte ich eine herausragende Serie produzieren."
Produzent Mark Sourian wird noch deutlicher. Als er von "The Chosen" angefragt worden sei, habe er sich die Frage gestellt, ob Christen solch ein Projekt überhaupt umsetzen könnten, so der frühere Manager der Filmfirma Dreamworks, der unter anderem Blockbuster wie "Fast & Furious" oder "Need for Speed" produzierte. Die Professionalität am Set von "The Chosen" habe ihn aber schnell überzeugt.
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Die Serie über das Leben Jesu ist kein Projekt evangelikaler Christen. Darauf legen die Macher größten Wert. Darsteller und Mitarbeiter am Set haben ganz unterschiedliche Glaubenshintergründe. Es sind Christen, Juden, Muslime und Nichtreligiöse. In Interviews wird penibel darauf geachtet, dass Pressevertreter nicht zu detailliert nach dem persönlichen Glaubensleben der Schauspieler fragen. Im Zweifel wird das Gespräch sonst abgebrochen.
Jesus-Darsteller Jonathan Roumie macht aus seinem Glauben kein Hehl. Er ist Katholik. Auf jeden einzelnen Drehtag bereite er sich mit einem Gebet vor, erklärt der 49-Jährige im Interview. Und ja, die Rolle als Jesus habe ihn zu einem besseren Menschen gemacht: "Das geht gar nicht anders, wenn man so viel Zeit damit verbringt zu fragen: Was würde Jesus in dieser oder jener Situation tun? Das verändert einen." Eine Last sei diese Rolle für ihn nicht, sagt er. Trotzdem sei es manchmal seltsam, wenn Menschen nach dem Gottesdienst auf ihn zukämen und ihm erzählten, wie "The Chosen" aufgrund seiner Rolle ihren Glauben verändert habe.
Elizabeth Tabish spielt Maria Magdalena. Auch sie ist Katholikin. In ihrem Leben gab es aber durchaus Zeiten, in denen ihr Kirche und Glaube eher fern waren, räumt sie ein. "Stark religiöse Menschen sind oft sehr laut. Sie urteilen über andere, so dass es schnell abstoßend wirkt." Die Serie "The Chosen" habe sie daran erinnert, was Jesus wirklich gelehrt habe, "nämlich seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst".
Außerdem verrät Tabish, deren Bruder mit einer Deutschen verheiratet ist, was sie an Deutschland besonders schätzt: dass man auch offen über Politik oder Religion sprechen könne; in den USA gelte das als Tabu, wenn man irgendwo eingeladen ist. Zudem habe sie die Gastfreundschaft und Neugier der Menschen beeindruckt - "und es gibt so viel Geschichte zu entdecken."
Drehbuchautor Ryan Swanson überrascht der Erfolg von "The Chosen" nicht. "Ich erinnere mich, wie wir damals zusammensaßen und darüber sprachen", berichtet er. "Wir waren uns einig: Entweder wird sich das niemand anschauen oder es wird eine der erfolgreichsten Serien überhaupt. Nicht weil wir so toll sind, sondern wegen des Themas." Die Zahlen geben ihm recht. Und wohl auch, dass Ende Mai kein Geringerer als Star-Regisseur Martin Scorsese ("Wolf of Wall Street", "Gangs of New York") ankündigte, einen Jesus-Film produzieren zu wollen.