Wenn die Differenz zwischen Priesterschaft und den Laien außer Kraft gesetzt werden solle, werde das Wesen von Kirche als "heilige Institution" angegriffen: "Eine solche Operation überlebt die katholische Kirche nicht, oder sie ist nicht mehr die katholische Kirche."
Die katholische Kirche sei in einem "tödlichen" Selbstwiderspruch gefangen, sagte Pollack, der an der Universität Münster Professor für Religionssoziologie ist. Nach katholischem Verständnis sei das Wirken der Kirche die Vorwegnahme göttlichen Heils.
Dies werde gestützt durch die Priesterschaft, der ein eigener Zugang zum Heiligen zukomme. Gerade diese Überhöhung des geistlichen Amtes habe sich als Einfallstor für Missbrauch erwiesen. Es gebe ein "unauflösbares Spannungsverhältnis zwischen Moderne und katholischer Kirche".
Viele Bischöfe in Deutschland seien durchaus reformwillig, sagte Pollack. Doch die Mehrheit von ihnen täusche sich über die Reformierbarkeit ihrer Kirche. "Die Frage ist tatsächlich: warum passiert so wenig? Und ich sage: Weil nichts passieren kann." Die katholische Kirche würde sich selbst aufgeben, wenn sie die Reformen so weit treiben würde, wie es notwendig wäre.
Mit Blick auf die in der vergangenen Woche veröffentlichten Kirchenaustrittszahlen der deutschen Bistümer spricht Pollack von einem Abriss infolge enttäuschter Erwartungen. Die Kirchenbindung der Katholiken sei inzwischen auf "protestantisches Niveau" gesunken. Zwar seien schon in der Vergangenheit immer wieder Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten, aber sie hätten sie trotzdem geliebt. Nun zeige sich ein "disruptives Geschehen".