Eine leichte Entscheidung war es nicht, den Platz eines Menschen und seine künstlerische Tätigkeit durch eine Maschine zu ersetzen. Aber was tun, wenn der 88-jährige Organist einer Gemeinde nach sechs Jahrzehnten aufhört, weil ihm die Fahrten zu den Gottesdiensten zu mühsam werden, und sich trotz intensiver Suche kein Nachfolger findet? Die Kirchengemeinde Holzschwang (Neu-Ulm) erwarb deshalb einen vom Ingenieurbüro Klaus Holzapfel aus Reistingen (Kreis Dillingen) gebauten Orgelroboter.
"Organola" heißt er. Sein Kasten ist so breit wie der Spieltisch und bewegt die Tasten ganz real. Für die meisten Gottesdienstbesucher ist nicht wahrnehmbar, dass die Orgel nicht von einem Menschen gespielt wird. Nur die Pedale der Orgel bleiben unbenutzt, denn die Maschine sitzt auf den Tasten des Instruments.
Auf der Orgel der Holzschwanger Kirche St. Georg liegen noch Stifte, ein Radiergummi und ein Spitzer: Hier hat bis vor kurzer Zeit ein Mensch Anmerkungen in Noten geschrieben, das spürt man noch. Jetzt rühren die banalen Schreibutensilien an, weil sie an die Jahrzehnte erinnern, in denen Hans Stumpp aus Pfuhl hier die Orgel spielte. Doch der 88-Jährige ging in den Ruhestand, und weil immer weniger Menschen lernen wollen, die Königin der Instrumente zu spielen, ersetzt ihn nun der Orgelroboter.
Stumpp selbst empfinde den elektronischen Kollegen als "Notbehelf", sagt Pfarrer Thomas Pfundner. Auf CDs wollte man in Holzschwang aber auf keinen Fall ausweichen, denn die Sandtner-Orgel der Georgskirche sei einfach ein tolles Instrument, dessen Klang erhalten bleiben sollte.
Präzise und fehlerfrei
Den menschlichen Umgang vermisst der Pfarrer schon. Und die Donnerstagabende, an denen Hans Stumpp für den Sonntagsgottesdienst in Holzschwang an der Kirchenorgel übte, und an denen man den Orgelklang bis ins Pfarrhaus hinüber hörte. Sonst aber: Der Roboter "Organola" erfüllt sein Amt mit großer Präzision. Fehler hat er noch nie gemacht, und er kann nicht nur das gesamte evangelische und das gesamte katholische Gesangbuch spielen, sondern auch Präludien - ganz ohne Üben.
Ein weiterer Pluspunkt: "Organola" tut - wie Hans Stumpp zuvor - auch in der kleinen Kirche in Hausen Dienst. Die Verwendbarkeit des Orgelroboters ist mit einer Lizenz verbunden, die für beide Kirchen der Kirchengemeinde Holzschwang/Hausen gilt. Möglich ist das nur deshalb, weil der Spieltisch der Hausener Kirche genauso breit ist wie der in Holzschwang, nämlich - mit Wangen - 80 Zentimeter.
Liturgische Elemente fallen weg
Merken die Gottesdienstbesucher einen Unterschied? Man müsse schon sehr musikalisch sein, um unten im Kirchenraum zu hören, dass am Spieltisch kein Mensch sitzt, sagt Pfundner. Gerade auswärtige Besucher, die zu Kasualien kommen, stellen keinen Unterschied fest.
Manche der 600 Evangelischen in Holzschwang und Hausen, die regelmäßig in die Gottesdienste gehen, vielleicht schon, denn der liturgische Ablauf hat sich verändert: "Organola" ist zwar so programmierbar, dass man ein, zwei oder drei Strophen eines Liedes im Gottesdienst singen kann, liturgische Elemente wie Wechselgesänge zwischen Pfarrer und Gemeinde beherrscht der Roboter aber nicht. Zudem sind die Vorspiele bei "Organola" kürzer als beim menschlichen Organisten, was bedeutet, dass man schneller im Gesangbuch das richtige Lied finden muss.
In Holzschwang werden Gottesdienste noch nach der alten Agende gefeiert. Seit "Organola" wird der Eingangspsalm gesprochen - was moderner ist, "und ich merke, dass ich selbst ihn inhaltlich stärker wahrnehme", sagt Pfundner. Die Vorteile des Systems: "Ich suche die Lieder aus, lade sie vom Computer im Pfarramt auf den Stick." In fünf Minuten sei diese Vorbereitung geschehen.
"Organola" kostet rund 8.000 Euro. Das verdient ein Organist mit seinen Einsätzen in etwa zwei Jahren, sagt Pfundner. Ab dem dritten Jahr bedeutet der Roboter also auch noch eine enorme Ersparnis für die kleine Kirchengemeinde.