"Ali Dere nicht mehr DITIB-Vorsitzender": So titelte am Montagnachmittag als erstes deutschsprachiges Medium das "Hamburger Abendblatt" auf seinen Onlineseiten die Nachricht über die Personalwechsel im größten Islamverband in Deutschland. Zu diesem Zeitpunkt war diese Personalie nicht einmal auf den Onlineseiten des Verbands veröffentlicht.
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Beide Vorgänge spiegeln die Wahrnehmung muslimischer Organisationen wider. Dass eine deutsche Zeitung als erste über die vorzeitige Vorstandswahl bei DITIB berichtet, ist Ausdruck dafür, dass die muslimischen Gemeinden und ihre Organisationen hierzulande keine Randerscheinung mehr sind. Dass der Verband mit dem sperrigen Namen "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion", dem rund 900 Moscheevereine angeschlossen sind, diese Personalie nicht auf seine Homepage stellt, bestätigt wiederum den immer wieder von christlichen und zivilgesellschaftlichen Dialogpartnern kritisierten Mangel an Transparenz.
Von DITIB selbst gibt es am Montag es keine Erklärungen, die Vorstandswahl fand nicht öffentlich statt. Einem türkischen Nachrichtenportal ist lediglich zu entnehmen, dass Ali Dere bei der Sitzung am Sonntag nicht mehr für den Vorstand kandidiert habe, weil er erschöpft sei. Dere war erst im Juni vergangenen Jahres zum Vorstandsvorsitzenden gewählt worden. Er werde auch sein Amt als Religionsattaché bei der türkischen Botschaft niederlegen und sich wieder der akademischen Arbeit wenden, hieß es.
In Deutschland studiert
Wenn es sich bei Dere, der in Deutschland studiert und 1994 in Göttingen promoviert hatte, nicht um den Funktionär eines muslimischen Verbanden gehandelt hätte, dessen starke Anbindung an die Türkei immer wieder kritisiert wird, und wäre nicht dieser Verband ob des großen Moscheebaus in Köln in den vergangenen Jahren in die Schlagzeilen geraten, wäre sein Ausscheiden aus dem DITIB-Vorstand wohl nicht so brisant.
So aber sorgt es für Spekulationen. Da ist einmal die Rede davon, dass Ankara an den Strippen gezogen habe. Gemunkelt wird, dass sein Abgang mit Intrigen eines anderen muslimischen Verbands zu tun habe, der ebenfalls gute Kontakte zur türkischen Regierung hat. Für andere Insider wiederum ist Deres Rückzug aus dem DITIB-Vorstand keine Überraschung. Vor ein paar Wochen habe der islamische Theologe, der für seine moderne Auslegung des Islam geschätzt wird, auf einer Pressekonferenz seinen Rückzug angedeutet, berichtet ein türkischstämmiger Journalist aus Köln.
Regierung behält die Hoheit
Mit Dere verließen zwei weitere Mitglieder den Vorstand. An ihre Stelle rücken Botschaftsräte, die gegenwärtig noch in Belgien und Frankreich tätig sind - was wiederum noch mehr die Spekulationen darüber befeuert, dass die türkische Religionsbehörde weiterhin die Hoheit über Organisation behält, in der es Grabenkämpfe gibt zwischen denen, die sich vom Herkunftsland lösen wollen und denen, die an dieser Anbindung festhalten.
Für manch einen DITIB-Landesverband war die Nachricht von Vorstandswechsel in der Kölner Zentrale eine Überraschung. Auch wenn niemand aus den Kreisen namentlich genannt werden möchte, so gibt es doch einige, die offen Probleme mit dem Professor aus Ankara ansprechen. Der Wissenschaftler Dere, so ist zu hören, sei der Aufgabe, einen Verband wie DITIB zu leiten, nicht gerecht geworden. Er habe "geführt" und sei mit seinem autoritären Stil sowohl bei den alten Funktionären als auch beim Nachwuchs auf Widerstand gestoßen.
Schaden für den Ruf?
Vertreter aus den Landesverbänden befürchten, dass der unangekündigte und vorzeitige Vorstandswechsel dem Ruf von DITIB schaden könnte. Denn als eine Organisation, die den Anspruch erhebt, für türkischstämmige Muslime zu sprechen, soll der Verband ernst genommen werden. Aus welchen Gründen das Führungspersonal in der Kölner Zentrale ausgetauscht wurde, wird wohl nicht zu erfahren sein. Es darf weiter spekuliert werden.