Heimathimmel
Foto: spacejunkie/photocase
Nicht immer strahlt der Himmel so schön blau. Für Metereologen wird ihr Blick nach oben erst so richtig spannend, wenn Wolken aufziehen, es stürmt, schneit oder blitzt und donnert.
TV-Wettermacher blicken in ihren Heimathimmel
Inge Niedek (ZDF), Karsten Schwanke (ARD) und Tim Frühling (HR) sind Wolkengucker aus Profession und verraten im evangelisch.de-Schwerpunkt "Blick zum Himmel", was ihren Heimathimmel ausmacht, welches Wetter sie fasziniert und was sie sehen, wenn sie nach oben schauen und wie sich dadurch ihre Sicht auf die Welt ändert.
23.10.2012
Tim Frühling, Inge Niedek und Karsten Schwanke

Inge Niedek (Meteorologin und ZDF-Wetterfrau):

Was bedeutet der Heimathimmel für mich? Eigentlich müsste ich es anders formulieren: der Himmel ist meine Heimat, denn bei mir ist der Blick zum Himmel auch aus beruflicher Perspektive ein absolutes Muss. Wenn das zum Beruf gehört, ist schon alleine das ein Geschenk. Der Blick zum Himmel hat mich unabhängig vom Beruf immer begeistert. Schon als Kind bin ich morgens im Urlaub früh aufgestanden, um den Sonnenaufgang zu erleben, das war immer ein herrliches Schauspiel.

Mein Beruf als Diplom-Meteorologin hat den Himmel für mich erst "verständlich" gemacht. Die unterschiedlichen Wolken, die Rückschlüsse auf das Wetter zulassen, üben eine ungeheure Faszination aus: diese schnellen Wechsel von Grau zu Blau in Herbst und Winter, wenn eine Regenfront durchzieht; das gleißende Sonnenlicht bei Hochdruckeinfluss im Sommer, gepaart mit satter grüner Landschaft bei Sommerwärme; die drohenden schwarzen Gewitterwolken im Sommer, die die Hitze oft jäh beenden oder die warmen Rottöne bei Sonnenauf- oder Untergängen. Das Farbenspiel ist so vielfältig und strahlend, dass man es nicht kopieren kann.

Viele, die nur noch zwischen Wohnung, Auto und Arbeit hin- und herpendeln realisieren diese einzigartigen Schauspiele der Natur kaum noch. Selbst, wenn Sie jeden Tag denselben Weg laufen, kommt keine Langeweile auf, weil der Himmel jeden Tag anders aussieht. Der Blick zum Himmel zeigt uns auch die Dimension unseres Universums. Wenn man in einer klaren Nacht zum Himmel schaut, dann hat man das Gefühl, dass die Sterne zu Greifen nahe sind, dabei sind sie Lichtjahre entfernt.

Bild: Copyright: ZDF, Rico Rossival

Karsten Schwanke (Meteorologe und ARD-Wettermann):

Als Meteorologe hat man noch Träume – auch was den Himmel angeht! Einmal einen Tornado sehen (aus sicherer Entfernung wohlgemerkt) – oder mit einem Spezialflugzeug durch das Auge eines Hurrikans fliegen – das wäre schon was!

Aber bleiben wir auf dem Teppich. Ein Hurrikan wird niemals am märkischen Horizont auftauchen und für einen Tornado, den es ja nachgewiesenermaßen durchaus auch bei uns geben kann, bräuchte man viel Geduld und auch Glück. Trotzdem bietet der Himmel in meiner brandenburgischen Heimat mehr, als manche vermuten würden. Das größte Glück für mich sind die Jahreszeiten und die damit verbundenen Lichtspiele. Zwei Stunden Dämmerung im Hochsommer, zwei Stunden, in denen ich von der glutroten Sonne über purpurfarbene Wolken bis hin zum letzten Lichtschimmer am nordwestlichen Horizont alles sehen kann. In den Tropen – nichts davon! Nach 30 Minuten ist es dunkel, jeden Tag, das ganze Jahr lang – wie langweilig! Mir zeigt es nach jeder Ankunft zu Hause, wie facettenreich es hier ist und wie selten wir dies zu schätzen wissen.

Aber auch mein Blick verändert sich. Im Gegensatz zu meiner Kindheit, als ich vor allem zum Himmel schaute, wenn dort etwas Großes passierte (also Schnee fiel, Blitze blitzten, Regenbögen leuchteten), bin ich heute eher der Berufsgucker: Ständig überprüfe ich, ob das da oben auch so aussieht, wie es laut meiner gestrigen Vorhersage sein sollte. Bei einem Gewitter oder einem Schneesturm ist es aber wie früher. Dann klebe ich wie ein kleiner Junge am Fenster – oder gehe raus und lasse mir die Schneeflocken ins Gesicht treiben.

Bild: EXCENTRIC/Peter Christian Blum

Tim Frühling (Wettermoderator beim hr-Fernsehen):

Mein Heimathimmel ist zunächst von zwei unübersehbaren Dingen geprägt: Von Flugzeugen und dem allnächtlich erstrahlenden Werbe-Magenta des Frankfurter Fernsehturms. Wenn man sich diese menschgemachten Störenfriede wegdenkt, interessiert mich beim Himmelgucken vor allem ein freier Blick Richtung Westen. An den meisten Tagen kommt unser Wetter nämlich von dort. Große Aufregung herrscht im Hause Frühling, wenn sich eine Gewitterfront nähert. Alle verfügbaren Satellitenbilder aus dem Internet werden hektisch durchgeklickt, es wird von Fenster zu Fenster gesprungen, um den besten Blick auf die sich auftürmenden Wolkenberge zu erhaschen und sich diebisch gefreut, wenn es so richtig schön kracht.

Den schönsten Himmel, der mir in Erinnerung geblieben ist, hat mir dieser isländische Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen beschert. An einem strahlenden Frühlingstag fuhr ich mit dem Fahrrad durch die Wetterau. Irgendwie merkte ich schon den ganzen Tag, dass etwas anders war, ohne es aber genau beschreiben zu können. Bis es mir wie Schuppen von den Augen fiel: Es war diese Ruhe und diese Unversehrtheit unseres hessischen Himmels an diesem Tag. Kein Flugzeug durfte fliegen, kein Kondensstreifen durchschnitt das makellose blau und kein dumpfes Triebwerk-Grollen störte das Froschkonzert am Ufer der Nidda.

Gelegentlich bringt der Beruf des Wetteransagers bizarre Situationen mit sich: Man ärgert sich über einen wolkenlosen Himmel. Jeder andere freut sich darüber. Ich nicht. Jedenfalls nicht, wenn ich am Tag davor ungemütliches Regenwetter prognostiziert habe.

Bild: HR/Sascha Rheker