Der mit 10.000 Euro dotierte Preis der deutschen Lutherstädte "Das unerschrockene Wort" wird im April 2013 in Luthers Geburtsort Eisleben zum neunten Mal verliehen. Damit werden Persönlichkeiten geehrt, die im Sinne des Reformators Martin Luther (1483-1546) Zivilcourage gezeigt haben. Die Stadt Wittenberg hatte die russische Band "Pussy Riot" nominiert. Derzeit prüften die Kommunalaufsicht und das städtische Rechtsamt, ob das Votum des Hauptausschusses vom September zurückgenommen werden könne und von welchem Gremium, teilte die Stadtverwaltung in Wittenberg am Montag mit. Den Rückzieher haben die Fraktion "Allianz der Bürger" und die CDU-Fraktion beantragt.
Nach Auskunft der Eislebener Stadtverwaltung wäre es wohl das erste Mal, dass ein Vorschlag zurückgezogen wird. Derzeit lägen vier Nominierungen vor, eine weitere sei angekündigt. Der nächste Preisträger soll von Vertretern der Lutherstädte Anfang November in Eisleben ausgewählt werden. Die Auszeichnung wird von dem 16 Orte umfassenden Bund der Lutherstädte seit 1996 vergeben.
Propst: Kirche ist Symbolort für die Freiheit des Glaubens
###mehr-links###Die Musikerinnen von "Pussy Riot" hatten kurz vor den russischen Präsidentschaftswahlen im Februar mit einem "Punkgebet" in der russisch-orthodoxen Hauptkirche in Moskau gegen Wladimir Putin demonstriert. Im August waren drei Bandmitglieder wegen Rowdytums aus religiösem Hass zu je zwei Jahren Zwangslager verurteilt worden. Derzeit läuft in Moskau ein Berufungsverfahren.
Einer der ersten Gegner der Nominierung von "Pussy Riot", der evangelische Propst Siegfried Kasparick aus Wittenberg, bekräftigte seine Ablehnung. Auch er teile zwar die Kritik am Gerichtsurteil, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). In Deutschland werde aber außer acht gelassen, dass die unter Stalin gesprengte Kirche, in der die Band aufgetreten war, Symbolort für die Freiheit des Glaubens in Russland sei.
Im Liedtext werde dies jedoch lächerlich gemacht, und das dürfe nicht noch mit einem Lutherpreis gewürdigt werden, betonte Kasparick. Die Christ-Erlöser-Kathedrale war auf Geheiß des sowjetischen Diktators 1931 gesprengt und vor zwölf Jahren wiedererrichtet worden.
Schorlemmer: "Besser auf dem Roten Platz oder in einer Badeanstalt"
Auch der Wittenberger evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer kritisiert die Nominierung von "Pussy Riot" für den Luther-Preis. Er würde der Band für ihr so genanntes Punk-Gebet keine "Unerschrockenheit" zubilligen, sagte Schorlemmer gegenüber evangelisch.de. "Die wollten kein Gebet sprechen, sondern einen Knaller machen. Die Gebetsform haben sie nur benutzt." Das sei eine Beleidigung der für russisch-orthodoxe Christen heiligen Mutter Gottes. "Für eine fromme russische Frau bedeutet ein 'Gebet', dass sie sich in ihrer Not an Maria wendet. Was wird sie wohl zu diesem 'Punk-Gebet' sagen, das eigentlich kein Gebet ist?"
###mehr-artikel###Den Protest der Band gegen die Verquickung von Staat und Kirche findet der ehemalige DDR-Bürgerrechtler gerechtfertigt, der sei auch "sehr dafür, dass wir alles tun, um das Strafmaß zu mildern." Er habe allerdings "wenig Verständnis dafür, dass sie für den Protest eine Kirche gesucht haben. An jedem anderen Ort ist es okay, als Punkband aufzutreten - zum Beispiel auf dem Roten Platz oder in einer Badeanstalt, jedenfalls nicht in dieser symbolträchtigen Kirche."
Ob die Protestaktion von Pussy Riot politisch sinnvoll war, bezweifelt Schorlemmer ebenfalls. "Mit so einer Aktion schaffen sie ungewollt Putin Freunde. Denn Leute, die gegen Putin sind, sagen jetzt: 'So aber bitte nicht!' Auch wenn man gegen Putin ist, muss man zugestehen, dass er gewählt worden ist." Friedrich Schorlemmer hat im vergangenen Jahr die Laudatio auf den Preisträger Dmitrij Muratow, den Chefredakteur der Nowaja Gaseta, gehalten. Anstelle von "Pussy Riot" würde er in diesem Jahr vorschlagen, den Kabarettisten Dieter Hildebrandt für sein Lebenswerk mit dem Luther-Preis "Das unerschrockene Wort" auszuzeichnen.