In einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) betonte sie, der von Präsident Putin begonnene Krieg gegen das Nachbarland sei "einfach schrecklich". Vor der Preisverleihung ergänzte sie: "Russland führt diesen Krieg wider jede Vernunft."
Die Verleihung des Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises ehre sie sehr, "besonders in der jetzigen Zeit", sagte Ulitzkaja, deren Werke in 17 Sprachen übersetzt wurden. Allerdings habe sie der politische Hintergrund bei den verschiedenen literarischen Preisen, die sie schon erhalten habe, nie vorrangig beschäftigt. "Russland hat immer wieder größere und kleinere Kriege geführt, ob in Afghanistan, Tschetschenien oder im Kaukasus. Ich schreibe meine Bücher unabhängig davon."
Die studierte Biologin und Genetikerin beklagte die allgemeine Neigung des Menschen zu Aggressionen. Der vernunftbegabte Mensch sei offenbar nicht vernunftbegabt genug, um sein Überleben auf der Erde zu sichern. "Die gesamte Menschheitsgeschichte besteht aus unzähligen Kriegen der Völker gegeneinander. Ich wurde während des Zweiten Weltkriegs geboren, und nun ist auch das Ende meines Lebens leider vom Krieg überschattet."
Schriftsteller und andere Intellektuelle könnten die politischen Ereignisse heutzutage kaum beeinflussen. Sie seien eher Zeugen und Chronisten. "Die Welt wird nicht von Intellektuellen beherrscht, sondern von selbstsüchtigen, machthungrigen und kleingeistigen Menschen."
Die seit gut einem Jahr in Berlin lebende Preisträgerin sprach sich für die Einrichtung eines Kontrollgremiums der internationalen Gemeinschaft aus, das aggressive Bestrebungen einzelner Staaten blockiere, sobald sie aufkeimten. Die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebauten internationalen Organisationen würden bisher ihren Aufgaben nicht immer gerecht. "Ich halte eine solche internationale Kontrolle aber für dringend notwendig."
Die Autorin von Werken wie "Sonetschka", "Jakobsleiter" oder "Medea und ihre Kinder" sagte, die Buchhandlungen in Russland hätten ihre Bücher aus den Schaufenstern und von den Büchertischen entfernen und in Packpapier einwickeln müssen. Sie würden aber weiter verkauft. Bedrohungen irgendwelcher Art habe sie bisher nicht erfahren.
Dass der Träger des Sonderpreises, der ukrainische Zeichner Sergiy Maidukov, nicht mit ihr gemeinsam an der Preisverleihung teilnehmen wollte, quittierte Ulitzkaja mit Bedauern: "Es tut mir sehr leid, dass Sergiy Maidukov aufgrund der jetzigen Situation nicht bei der Preisverleihung anwesend sein kann."