epd: Was ist im Moment ein medienethisches Thema, das so wichtig ist, dass auch an der Uni darüber reflektiert werden muss, und Wege gefunden werden müssen, um damit kreativ umzugehen?
Florian Höhne: Eine große neue Herausforderung ist die so genannte Künstliche Intelligenz. Es entstehen neue Herausforderungen für eine journalistische Ethik, wenn Algorithmen-basierte Programme in der Lage sind, Texte zu schreiben, die leicht zu verwechseln sind mit den Texten, die Menschen geschrieben haben. Wo hilft der Einsatz von solchen Programmen? Wo ist der Einsatz solcher problematisch? Wo hilft das Leserinnen und Lesern, sich in der Welt zu orientieren? Wo wird das zu einem Weg des Betrügens, weil man Texte voller Faktenfehler präsentiert?
Für welche Zwecke halten Sie es für erlaubt, Künstliche Intelligenz oder Chat-GPT benutzen?
Höhne: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die KI noch stark in der Weiterentwicklung ist, aber auch, dass die Texte bei grundlegenden, einfachen Fragen manchmal wirklich beeindruckende Antworten liefern. Als Ethiker ist für mich immer die Frage, was dient einem guten Leben und einem guten Zusammenleben. Da müssen wir von Fall zu Fall gucken. Bietet die neue Technik etwa Schülerinnen und Schülern Chancen, sich Wissen und Fähigkeiten anzueignen, die sie vorher so nicht hatten, dann ist das etwas Gutes. Wenn es ihnen die Herausforderung abnimmt, sich in ein neues Thema einzuarbeiten und selbst denken zu lernen, dann dient das sicher nicht dem guten Leben.
Sollten Pfarrerinnen und Pfarrer für eine Andacht die neue Technik benutzen?
Höhne: Ja, wenn wir auf den Pfarrberuf gucken, ist ein Ziel, gute Andachten zu machen, die Menschen ermöglichen, einen Moment der Einkehr zu haben, ein Gespräch mit Gott ermöglichen. Das sind meines Erachtens gute Andachten. Wenn ich auf all die Hilfsmittel gucke, mit denen Menschen jetzt schon gute Andachten machen können, warum da nicht auch KI ausprobieren? Der entscheidende Punkt für mich ist die letzte Verantwortung. Die liegt bei der Person, die die Andacht dann vorträgt, und wenn die sagt, dieser Text, der geht zu Herzen, warum dann nicht?
Ihr Lehrstuhl heißt heute nicht mehr Christliche Publizistik. Der Name ist erweitert worden in Lehrstuhl für Medienkommunikation, Medienethik und digitale Theologie. Gibt es Bereiche, die bisher ein noch bisschen stiefmütterlich behandelt worden sind, die Sie gerne stärker im Fokus hätten?
Höhne: Die neuen Teilhabemöglichkeiten durch digitale Medien sind auch neue Herausforderungen, über Medienkommunikation nachzudenken. Die Chance der digitalen Medien ist etwa, dass wir mit relativ wenig Aufwand selbst einen Beitrag schreiben oder selbst an Informationen kommen können. Da gibt es zwar immer noch Hindernisse, und nicht alles ist sozial gerecht, aber die Hindernisse sind niedriger geworden. Wir müssen viel mehr über die aktive Partizipation, über Nutzungsverhalten, über das, was es zwischen Schreiben und Lesen noch alles gibt, nachdenken: "like" oder teilen etwa. Und wir müssen nachdenken über die Dynamiken, in denen sich Texte in sozialen Medien verbreiten oder nicht verbreiten.
Die mit der Medienkommunikation einhergehende Häme und der Hass, die müssen auch untersucht werden. Wo kommt das her?
Höhne: Es ist schon viel darüber geschrieben worden, warum offenbar gerade die Dynamiken der digitalen Kommunikation nicht nur das Beste, sondern manchmal auch das Schlimmste im Menschen hervorbringen. Als Grund wird etwa Folgendes diskutiert: Die Tatsache, dass jemand eine abgedrehte Meinung hat, die wenig mit der Realität zu tun hat und wenig vernünftig ist, ist nichts Neues. Von diesen Menschen gibt es vermutlich in jedem Dorf oder Stadtteil eine Handvoll. Etwas Neues ist es, dass sie sich vernetzen, einander bestätigen können und dadurch ganz andere soziale Dynamiken lostreten können, in denen sie plötzlich wie eine Mehrheit da stehen.
"Die Chance der digitalen Medien ist etwa, dass wir mit relativ wenig Aufwand selbst einen Beitrag schreiben oder selbst an Informationen kommen können"
Unter dem Bereich Digitale Theologie Ihres Lehrstuhls, kann sich fast niemand etwas vorstellen...
Höhne: Und die, die sich etwas unter digitaler Theologie vorstellen, stellen sich fast alle was anderes vor. Für mich geht es bei digitaler Theologie vor allen Dingen um Medienethik und um die Reflexion von religiöser Kommunikation unter digitalen Bedingungen. Es verändert sich, wie theologisches Wissen entsteht, diskutiert wird, ausgetauscht wird. Digitale Medien machen es uns viel leichter, sich kurzzeitig weltweit zu vernetzen und ins Gespräch miteinander zu kommen.
Wie sehen Sie die Aufgabe der Universität und Ihres Lehrstuhls?
Höhne: Ich denke, die Aufgabe von Uni ist, sich Zeit in dem hohen Tempo gesellschaftlicher Transformation zu nehmen und ein Stückchen Abstand zu ermöglichen suchen. Wir sollten überlegen, was hier eigentlich passiert und fragen, dient das einem guten Leben? Ich will die Ausbildung von journalistischer Praxiskompetenz, vom Grundwissen zu Christentum und Islam beibehalten und weiterentwickeln in eine Richtung, die gerade das Digitale im Blick hat. Und dann bin ich auch schon dabei, Forschung aufzubauen, die über digitale Transformation nachdenkt.
Sie sagen, die journalistische Praxis und Kompetenz wollen Sie auch weiterhin stark ausbilden. Wie werden sich die Klassiker, die Nachrichtenagentur oder die Zeitung aus Papier aus Ihrer Sicht entwickeln?
Höhne: Ja, mich würde die Glaskugel auch brennend interessieren, in der sich sehen lässt, wie es mit der Zeitungslandschaft, der Agenturlandschaft, der Radiolandschaft und auch mit Kirchen weitergeht. Ich denke, dass die althergebrachten journalistischen Kernkompetenzen auch gerade im Digitalen relevant und wichtig sind. Das fängt an bei der gründlichen Recherche eines Themas, es geht weiter bei der kritischen Distanz zu dem, was ich da höre, bei der kritischen Überprüfung von Quellen, und es hört nicht auf bei den Fähigkeiten des, neudeutsch gesagt, Story Tellings. Ein guter Journalismus ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern, am politischen Geschehen Teil zu haben. Für eine Demokratie ist es enorm wichtig, dass nicht nur über den Bundestag berichtet wird, sondern auch über Kommunalpolitik. Da können Menschen am ehesten die Erfahrung machen, dass sie an demokratischer Willensbildung teilhaben können.