In den Philippinen hat Bischof Antonio Ablon erlebt, was es heißt, wenn die Zivilgesellschaft keine Möglichkeit mehr hat, sich einzubringen. Wenn Menschenrechtler:innen sich für vertriebene Indigene einsetzen oder bessere Arbeitsbedingungen auf Plantagen oder in den Kohlebergwerken fordern, dann werden sie einfach auf der Straße erschossen. Das passiere immer wieder. Die Regierung möchte keinen Protest und auch keine Kirche, die sich einmischt. Am Ende musste Antonio Ablon nach Deutschland ins Exil fliehen, damit er nicht auch sein Leben verliert. Und wer sich auflehne, der werde auf den Philippinen schnell "als Terrorist" gebrandmarkt, sagt der Bischof. Ein Antiterrorismus-Gesetz legitimiert das und diskriminiert gewaltfreie Aktivisten als Kriminelle. Der Handlungsspielraum für die Zivilgesellschaft sei extrem eingeschränkt.
Solche Prozesse seien schleichend, dass zivilgesellschaftliche Handlungsräume eingeschränkt werden und verschwinden. Das passiere nach und nach, sagte die Moderatorin Silke Pfeiffer von Brot für die Welt. In Deutschland gibt es derzeit einen Diskurs darüber in der Gesellschaft. Und die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" (LG) werden teilweise von Regierungsvertretern als Terroristen und Kriminelle bezeichnet, ergänzte sie. Weil ihre Protestform störe und Autofahrer behindere. Die ehemalige Jurastudentin und LG-Mitbegründerin Carla Hinrichs sieht ihre Aktionsform der Klimakleber nicht als Rechtsbruch an. Es sei "keine Straftat" in Anbetracht der Situation einer drohenden Klimakrise, wo das Handlungsfenster immer kleiner wird, um den Klimawandel abzubremsen. Die Folgen seien unvorhersehbar für alle Menschen.
Auf dem Podium wurde die Machtfrage gestellt. Welche Funktion ein Staat gegenüber seiner Zivilgesellschaft habe. Ob er nicht die zivilgesellschaftlichen Akteure in Schutz nehmen müsse. So würden nicht nur die Klimaaktivisten immer mehr bedroht. Auch andere Gruppen, die sich für die Gesellschaft einsetzen, beispielsweise die Feuerwehrleute oder auch Lokalpolitiker, die sich für Menschenrechte einsetzen, werden immer wieder verbal oder körperlich angegriffen.
Petra Pau, Bundestagsvizepräsidentin und Linken-Politikerin kritisierte auch Politikerkollegen in diesem Zusammenhang. Wer Klimaaktivismus "als Terrorismus bezeichnet, der verharmlost die Gefahren der Klimakrise", sagte sie. Es müsse ein Bewusstsein dafür entstehen, wo Grenzen schon lange überschritten werden. Sie erinnerte an die NSU-Morde der Rechtsextremisten. Diese Gruppe sei lange nicht ernst genommen worden. Es sei auch nicht hinnehmbar, dass Politiker von Rechtsextremisten bedroht werden und dass ihnen gesagt werde, das solle man aushalten, solange keine Gewalt passiert. Gerade nach dem Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke, der sich für Menschenrechte eingesetzt hatte, denn er hatte schon Drohungen zuvor erhalten. Sei hoffe, dass bald das "Demokratieförderungsgesetz" auf den Weg gebracht werde, das bedrohten Menschen für ihr zivilgesellschaftliches Engagement auch eine materielle Sicherheit böte.
Zivilgesellschaftliches Engagement sei auch anderswo bedroht. Pau erinnerte an die Islamische Republik Iran und den Aufstand der Zivilbevölkerung, der blutig niedergeschlagen wurde. Sie kritisierte die Bundesregierung, die sich bislang wenig zu den willkürlichen Inhaftierungen von Demonstranten geäußert habe. Zwar hätten auch einige Politiker Patenschaften für die Inhaftierten übernommen, aber da sei mehr zu erwarten, wenn man sich "feministische Außenpolitik" auf die Fahnen geschrieben hat. "Entscheidend sei, was hinten rauskomme." Sie erinnerte auch an die Religionsgemeinschaft der Bahai, die im Iran verfolgt werde.
Einigkeit herrschte auf dem Podium, was das politische Framing anging. Klimaaktivisten seien keine kriminelle Vereinigung. Das sei völlig unverhältnismäßig, sagte auch Michael Windfuhr vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Kriminelle Vereinigungen, das seien der IS oder die Mafia, aber sicher nicht die "Letzte Generation". Es gebe aber ein wirtschaftliches Interesse, dass alles weitgehend wie zuvor weitergehe – trotz Klimawandelbedrohung. Er erinnerte in dem Zusammenhang, dass die fünf größten Ölkonzerne im letzten Jahr 240 Milliarden Dollar Gewinn gemacht hätten. Windfuhr warnte jedoch davor zur Selbstjustiz zu greifen. In beide Richtungen. Man solle sich auch nicht daran gewöhnen, dass die Polizei Schmerzgriffe für gewaltlose Demonstranten einsetze. Wenn man das dulde, sei das zu viel.
Pau plädierte am Ende der Veranstaltung an die Verantwortung aller in einer Demokratie. "Mir passen auch nicht alle Initiativen und ihre Argumente", sagte sie. Doch dann müsse man sich damit auseinandersetzen, bevor man darüber urteilt.