Foto: epd/Osservatore Romano
Vatileaks: Folgt auf Urteil die Begnadigung?
Der spektakuläre Prozess um den Diebstahl vertraulicher Dokumente im Vatikan endete mit einem Schuldspruch. Der ehemalige Kammerdiener von Benedikt XVI. muss für 18 Monate ins Gefängnis, sollte der Papst ihn nicht begnadigen.

Mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck nimmt Paolo Gabriele den Schuldspruch auf. Soeben haben die Richter im Vatikan den ehemaligen Kammerdiener des Papstes wegen Diebstahls zu 18 Monaten Haft verurteilt. Damit endet der spektakuläre "Vatileaks"-Prozess um den Diebstahl und die Weitergabe vertraulicher Dokumente vom Schreibtisch Benedikts XVI.

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Der 46-jährige Familienvater hatte gestanden, die Schriftstücke kopiert und dem Journalisten Gianluigi Nuzzi zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt zu haben. Nicht nur die Verteidigung, sondern auch die Anklage wiesen in dem Verfahren darauf hin, dass der Angeklagte in gutem Glauben handelte, als er die Dokumente kopierte und weitergab.

Vatikansprecher Federico Lombardi erklärte nach der Urteilsverkündung, eine rasche Begnadigung des Verurteilten durch den Papst für "sehr wahrscheinlich". Der genaue Zeitpunkt stehe jedoch nicht fest, sagte er unter Hinweis auf den vollen Terminkalender des Kirchenoberhaupts. Gabriele verbrachte bereits vier Monate in Untersuchungshaft, bevor er in den Hausarrest entlassen wurde.

Kruzifix an der Wand

Vier Monate nach der Verhaftung des ehemaligen Kammerdieners erging das Urteil in dem vatikanischen Gerichtssaal mit einem Kruzifix an der Wand hinter den drei Richtern. Nachdem sie in den vergangenen Tagen die Haftbedingungen nach der Festnahme ihres Mandanten in der ersten Zelle in die Nähe von Folter gerückt hatte, begrüßte seine Verteidigerin Cristiana Arru den Ausgang des Verfahrens. Nach dem vatikanischen Strafrecht kann Gabrieles Verteidigung innerhalb von drei Tagen in Berufung gehen. Da seine Anwältin das Urteil als "gut und ausgeglichen" einschätzt und mit einer Begnadigung zu rechnen ist, gilt dies jedoch als unwahrscheinlich.

Gabriele kehrte nach der Urteilsverkündung zunächst in seine Privatwohnung in den Hausarrest zurück. Die Untersuchungshaft hatte er während der ersten rund zwei Wochen in einer äußerst kleinen Zelle mit ständig angeschaltetem Licht verbracht. Erst nach dem Ende von Renovierungsarbeiten wurde er in den für Gefangene vorgesehenen Raum in der vatikanischen Gendarmerie überführt. In den 50er Jahren war der wegen Diebstahls im vatikanischen Staatssekretariat verurteilte Geistliche Edoardo Cippico aus der Haft im Turm der Winde aus dem 16. Jahrhundert geflohen.

Angesichts der Aufmerksamkeit für die Haftbedingungen und die Anklage des schweren Diebstahls geriet beim "Vatileaks"-Prozess der Inhalt der Dokumente in den Hintergrund, die Gabriele dem Journalisten für sein Enthüllungsbuch zur Verfügung stellte. Die Tatsache, dass die vatikanische Gendarmerie nach ihrer Hausdurchsuchung in der Wohnung des Kammerdieners kein Inventar des Inhalts der beschlagnahmten 82 Kisten erstellte, weckte unter den Prozessbeobachtern am Ende des Verfahrens überdies den Eindruck unprofessioneller Amtsführung.

Wohl keine Komplizen

Obwohl die Ergebnisse des Ermittlungsverfahren nahe legten, dass Gabriele keine Komplizen hatte, hält sich in Vatikankreisen die Vermutung, dass er allein aufgrund seiner beschränkten Sprachkenntnisse für die Auswahl der Dokumente auf die Hilfe von Mitwissern angewiesen war. Die Vatikanbehörden demonstrierten mit dem Verfahren in Rekordzeit, dass sie den Skandal um die Veröffentlichung vertraulicher Dokumente des Papstes so rasch wie möglich zu den Akten legen möchten.

Ob es sich beim "Vatileaks"-Skandal tatsächlich um die Tat eines psychisch labilen Menschen handelt, der sich selbst für einen Heilsbringer im Dienst der reinigenden Kräfte der Kirche hält, oder um eine Verschwörung unter Beteiligung anderer Kurienmitarbeiter, wird die Öffentlichkeit wohl kaum erfahren. Der Untersuchungsbericht der drei Kardinäle, die parallel zur vatikanischen Justiz ermittelten, bleibt unter Verschluss.