Im Film "Wavumba" träumt ein kenianischer Fischer von einem letzten großen Fang.
Foto: Jeroen van Velzen
Im Film "Wavumba" träumt ein kenianischer Fischer von einem letzten großen Fang.
Religion im Film: Geschichten von Glück, Leid, Hoffnung
Welche Rolle spielt das Thema "Religion" in Filmen? Am Mittwoch sprachen der evangelische Theologe Professor Hans-Jürgen Benedict, der israelische Journalist Eldad Beck und der iranische Schauspieler Ramin Yazdani auf dem Filmfest Hamburg über das Thema "Glaube im Film: Spiegel oder Herausforderung".

Nahezu ausverkauft waren die 300 Plätze des Kinos bei dem Dokumentarfilm "Wavumba", der am Mittwoch im Vorfeld der Podiumsdiskussion auf dem Filmfest Hamburg lief. Der Kontrast könnte kaum größer sein: Eben noch entführt der niederländische Regisseur Jeroem van Velzen die Zuschauer mit poetischen Bildern an die kenianische Küste und in die Wärme, zeigt in seinem Film die Kraft der Spiritualität. Und kaum aus dem Kinosaal getreten, setzt norddeutscher kalter Regen ein. Doch die Zuschauer lassen sich ihre Verzauberung nicht nehmen. Die Geschichte des 70-jährigen Fischers Mashoud, der ein letztes Mal einen Haifisch fangen möchte, mit einem Holzboot ohne Motor, aber geleitet von einem tiefen Glauben an die Schöpfung, hat sie beeindruckt.

"Ich interessiere mich für spirituelle Themen, auch, um für mich einen eigenen Glauben zu entwickeln", sagt etwa der Student Niels. Auch Lisa, 45 Jahre alt, ist wegen des Schwerpunkts ins Kino gegangen: "Das Thema 'Glaube' hat mich angesprochen, obwohl ich selbst nicht religiös bin. Ich bin sehr ergriffen von der spirituellen Welt, die der Film gezeigt hat und die es bei uns nicht mehr gibt. Vielleicht ist da eine Portion Sehnsucht dabei", meint sie. Trotz der späten Stunde entscheidet sie sich wie viele andere, zur anschließenden Diskussion zu gehen. 

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Caroline Schmidt-Gross, Pressechefin des Festivals, erläutert die Wahl des Schwerpunktthemas "Glaube": "Wir haben festgestellt, dass es zurzeit zahlreiche Filme gibt, die sich mit Religion und Glaube beschäftigen", sagt sie und schließt die Frage an: "Welche Möglichkeiten gibt es, das Thema Glaube im Film umzusetzen?" Professor Hans-Jürgen Benedict antwortet spontan: "Sehr viele. Indirekt bedeutet es ja, Geschichten zu erzählen von Glück, Leiden, Hoffnung. Das sind auch immer religiöse Dimensionen. Man erkennt diese Aspekte in großen Liebesfilmen, in 'Titanic', in 'Breaking the Waves'  von Lars von Trier oder auch in 'Gran Torino' mit Clint Eastwood, wo sich die Hauptfigur in eine Christusfigur verwandelt."

"Welche Rolle soll der Glauben in dieser Welt spielen?"

In den vergangenen Jahren habe sich allerdings die Erzählweise von Religion im Film geändert, erklärt der Professor, der an der Evangelischen Hochschule Rauhes Haus in Hamburg ein Filmseminar etabliert hat. "Während in den 50er- und 60er-Jahren Regisseure wie Ingmar Bergmann den Zweifel am Glauben oder Luis Buñuel seine Kritik an der katholischen Kirche thematisiert haben, erzählen heutzutage Filme Geschichten, sowohl positiv von Spiritualität wie in 'Wavumba' als auch von zerstörerischen Anteilen der Religionen, etwa über Exorzismus", sagt Benedict. Der Journalist Eldad Beck, seit vier Jahren Jurymitglied beim Hamburger Filmfest, ergänzt: "Wir in Europa leben in einer Phase, in der wir nicht mehr wissen, woran wir glauben sollen. Wir fragen uns, welche Rolle der Glauben in dieser Welt spielen soll. Filme beschäftigen sich nun mit der Frage der Beziehungen von Menschen zur Religion, damit, wie sie ihren Glauben ausüben, leben und eben auch benutzen."

Die Podiumsrunde war sich einig, dass Filme ein gutes Medium sein können, um Glaubenswelten zu vermitteln und sogar um Fanatismus entgegenzuwirken. "Filme sind ein großartiges Mittel, um Menschen zu bilden", meint der Schauspieler Raman Yazdani, der seit 27 Jahren in Deutschland lebt. "Filme bewegen, es geht ja um Emotionen. Sie können im besten Fall Menschen zur Einsicht bringen", ergänzt Theologe Benedict.

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Auf die restriktive Einstellung zu Bildern in manchen Glaubensgemeinschaften und dem religiösen Bilderverbot im Islam und Judentum angesprochen, äußert sich der Israeli Beck zuversichtlich und beschreibt eine Veränderung: "Meine Familie hatte vor 30 Jahren orthodoxe Freunde, die keinen Fernseher besaßen. Inzwischen gibt es in Jerusalem sogar eine Filmschule für orthodoxe Frauen." Auch in Ägypten oder im Maghreb lebten kritische Filmemacher, erklärt er. Es komme langsam zu einer Differenzierung. "Wichtig scheint mir, dass mehr Filme gemacht werden, die sich kritisch mit Fundamentalismus auseinandersetzen. Und wenn religiöse Menschen Filme über ihre Religion machen, bekommen wir als Zuschauer andere Einsichten in den Glauben. Erst wenn sich Macht und Politik in die Religion einmischen, wird es zum Problem."

Eine Antithese zu Materialismus und Individualismus?

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Dass Filme mit dem Schwerpunkt "Glaube" Zuschauer anziehen und keine Kassenflops sein müssen, beweist das große Interesse des Publikums in Hamburg. "Vielleicht zeigt sich hier etwas, was viele beschäftigt", meint Podiumsgast Yazdani: Der Wunsch, etwas über Spiritualität zu erfahren, sozusagen als Antithese zu Materialismus und Individualismus, die in unserer Gesellschaft dominieren." Schließlich biete Religion auch Gemeinschaft. Filmkenner Benedict bestätigt: "Filme leben von Dramatik, und das tun auch religiöse Geschichten oft. Sie handeln von menschlichen Ängsten und wie man mit ihnen umgehen kann, von Gewalt und wie sie doch zu unterbrechen ist. Von diesen Dingen lässt sich in Wörtern, mit Musik und eben sehr gut in bewegten Bildern erzählen."

Dass Kinobilder offensichtlich universal funktionieren, hat "Wavumba"-Regisseur van Velzen auch an seinem Film erfahren. Am Ende des Gesprächs erzählt er den Zuhörern, wie er mit dem fertigen Film im Gepäck erneut das abgelegene Fischerdorf besuchte: "Ich war sehr unsicher, schließlich hatten der Fischer und einige andere Bewohner noch nie zuvor einen Film gesehen", erzählt der Niederländer. "Doch als ich den Film auf einer Leinwand aus alten Segeln zeigte, waren alle beeindruckt und berührt."