Die Pilcher-Adaption "Herzensläufe" wurde vom Autor Marc Hillefeld, der zuvor mit der RTL-Serie "Alarm für Cobra 11" in völlig anderen Gefilden unterwegs war, realisiert. Er hat auf der Basis einer einfachen Ausgangsidee eine emotional komplexe Gemengelage geschaffen, die gleichermaßen Drama wie Tragödie und Romanze ist; komische Elemente gibt es obendrein.
Die Trümpfe des Films sind jedoch die beiden Hauptdarstellerinnen. Hedi Honert und Liliane Zillner verkörpern zwei zauberhafte Schwestern, die unter einem traumatischen Erlebnis leiden: Als Alice und Jacky noch Kinder waren, ist ihre Mutter bei einem Brand in der familieneigenen Destillerie an den Folgen einer Rauchvergiftung gestorben. Natürlich lässt die Vergangenheit die beiden nicht los, zumal sie wegen des Vorfalls nach wie vor unter Schuldgefühlen leiden: Alice, die ältere, hat ihr Elternhaus so früh wie möglich hinter sich gelassen und ist heute Köchin in London; Jacky hat die Leitung des Betriebs übernommen und arbeitet bis zur Erschöpfung.
Als Alice ihren Job kündigt und vorübergehend nach Cornwall zurückkehrt, will Vater Ronald (Jochen Nickel) die Gelegenheit nutzen, um das Traditionsunternehmen zu gleichen Anteilen auf seine Töchter zu übertragen. Jacky, die ohnehin geradezu feindselig auf ihre Schwester reagiert, ist sauer, schließlich ist sie die letzten Jahre auch ohne Alice klargekommen; aber die plant ohnehin, in der Karibik ihren Traum vom eigenen Restaurant zu realisieren.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Neben den etwas überzogenen Zwistigkeiten zwischen den Schwestern lebt der Film vor allem von der Frage, was damals wirklich geschehen ist; lange zurückliegende Ereignisse, deren Schatten bis in die Gegenwart reicht, sind ein beliebtes Motiv in den "Pilcher"- und "Lindström"-Geschichten.
Damit es nicht nur dramatisch zugeht, hat Hillefeld gleich drei Romanzen eingefädelt: Ronald sucht mit Hilfe von Familienfreundin Eleonore (Anke Sevenich) per Dating-Portal nach einer neuen Lebensgefährtin und übersieht dabei, wie nah das Glück längst ist. Ähnlich geht es Alice: Dorfarzt Thomas (Orestes Fiedler), Kumpan aus Kindheitstagen, wäre offensichtlich gern mehr als bloß ein Jugendfreund. Noch mehr Dynamik bringt allerdings ein junger Mann namens Matt (Maximilian Hildebrandt) in die Handlung: Der vermeintliche Surfer ist der Sohn eines Getränkehändlers, der den Familienbetrieb kaufen möchte; selbstredend vermutet Jacky, dass die zarten Bande, die sich zwischen ihr und Matt entwickeln, Teil seiner Übernahmestrategie sind.
Wer mit dem Sonntagssendeplatz im ZDF ohnehin nicht viel anfangen kann, wird das alles nicht sonderlich aufregend finden; die üblichen Verwicklungen halt, zumal "Herzkino"-Veteran Marc Prill das Drehbuch eher routiniert als inspiriert umgesetzt hat, auch wenn die optischen Versatzstücke trotz eines Picknicks mit Meerblick nicht so gehäuft sind wie sonst.
Sehenswert ist der Film jedoch wegen des Ensembles. Hedi Honert war bereits die Entdeckung des ebenfalls von Prill inszenierten Pilcher-Films "Pralinen zum Frühstück" (2019); in "Herzensläufe" wirkt die schöne Berlinerin auch dank Alices betont eleganter Kleidung, als sei sie direkt vom Vogue-Cover in die Handlung eingestiegen. Vergleiche mit Diane Krueger mögen verfrüht sein, aber es haben schon Schauspielerinnen mit weniger Ausstrahlung international Karriere gemacht. Bei Liliane Zillner klingen die Dialogsätze gerade zu Beginn nicht immer natürlich, aber auch sie dürfte in der Fernsehfilmredaktion des ZDF für weitere Aufgaben vorgemerkt sein.
Nicht annähernd so aufsehenerregend, aber dennoch interessant ist die Besetzung der beiden Spielpartner. Männer spielen auf diesem Sendeplatz, der sich an ein überwiegend weibliches Publikum richtet, zwar auch vor der Kamera nur die zweite Geige, aber natürlich sollten sie, um es im "Herzkino"-Duktus zu formulieren, die Herzen der Zuschauerinnen dennoch höher schlagen lassen. Die Besetzungswahl ist mit Orestes Fiedler, der in den letzten beiden "Lissabon-Krimis" die Rolle des Staatsanwalts übernommen hat, und Maximilian Hildebrandt auf zwei Schauspieler gefallen, die beide keine Titelbildtypen sind und ihre Qualitäten erst auf den zweiten Blick offenbaren; aber das entspricht ja auch der Geschichte. Die Bildgestaltung ist nicht zuletzt wegen der sorgfältigen Lichtsetzung (Kamera: Holger Greiß) ebenfalls hervorzuheben.