Schon in der Bibel kommen sie vor: Noah ließ nach der Sintflut drei Tauben aus der Arche frei, in der Hoffnung, sie könnten trockenes Land finden, so steht es im Alten Testament. Die zweite kam mit einem Ölzweig zurück. Charles Darwin wies nach, dass die alten Ägypter bereits 2.750 vor Christus Tauben hielten. Die frühen Christen erkoren die Taube dann zum Symbol des Heiligen Geistes. Im Matthäus-Evangelium 3,16 ist zu lesen: "Und als Jesus getauft war ... siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen."
Kein Wunder, dass die abendländische Kunst die Taube als Heilig-Geist-Symbol etablierte, sei es auf Bildnissen des Pfingstwunders oder der Verkündigung Mariens. Hans Baldung Grien hat 1521 Martin Luther mit einer Taube in Holz geschnitten.
Heute gibt es mehr als 300 Taubenarten weltweit in 42 Gattungen. Nur fünf davon leben in Deutschland. Eine davon ist die Stadt- oder Straßentaube, ein verwahrlostes Haustier. Hinzu kommt die Hohltaube, die große Ringeltaube mit den weißen Flecken am Hals, die zierliche crèmefarbene Türkentaube und die Turteltaube, kleinste und schönste von allen, die auf der Roten Liste bedrohter Tierarten als "stark gefährdet" geführt wird.
Straßentauben pflanzen sich äußerst erfolgreich fort. Schon ihre Ahnen, die Felsentauben im Vorderen Orient, waren nicht zufällig mythologische Begleittiere der Fruchtbarkeitsgöttinnen bis hin zur griechischen Aphrodite und der römischen Venus.
Ein Symbol für den Frieden
Pablo Picasso wusste das Tier zu schätzen: Der Künstler entwarf 1949 eine Taube als Zeichen für Frieden und Freiheit. Später wurde die weiße Taube auf blauem Grund zum Symbol der Friedensbewegung. Ihr nahezu untrüglicher Orientierungssinn prädestinierte die Taube zum Meldetier. Cäsar nutzte Tauben im Krieg, eine Taube überbrachte die Nachricht von Napoleons Niederlage 1815 bei Waterloo. In den beiden Weltkriegen wurde fast eine Million Brieftauben eingesetzt.
Taubenzüchter gibt es immer noch. Doch immer wieder gehen Zucht- und Brieftauben verloren. Von ihnen stammen die Straßentauben ab. Insbesondere in großen Städten sind sie heute unbeliebt: Sie machten Dreck und seien einfach "Ratten der Lüfte", heißt es. Manchmal schlägt ihnen Hass entgegen, wie Gudrun Stürmer vom Frankfurter Stadttaubenprojekt berichtet. "Sie werden mit Blasrohrpfeilen beschossen, mancher Taube wird lebendigen Leibes der Kopf abgerissen."
Damit es nicht noch mehr Tauben werden, verbieten viele Städte das Füttern und belegen es oft mit drastischen Bußgeldern. "Fakt ist, dass die Überpopulation der Tauben für Hauseigentümer, Anwohner, die Stadtverwaltung zu einem Problem geworden ist", schreibt beispielsweise die Stadt Frankfurt am Main auf ihrer Internetseite.
Ratten der Lüfte?
Die Ethnologin und Religionswissenschaftlerin Karin Schneider beschäftigt sich in ihrem Buch "Tauben" (2021) mit modernen Mythen rund um die Tiere. Der Begriff "rats with wings" ("Ratten mit Flügeln") etwa wurde ihr zufolge 1966 von einem New Yorker Beamten erfunden, der sie in einem Atemzug mit den Wohnungslosen im Central Park verdammte. Regisseur Woody Allen verbreitete diese Metapher 1980 mit seinem Film "Stardust Memories" in alle Welt. Schneider urteilt: "Tauben richten nicht mehr Schäden an als andere Tiere, sie übertragen nicht mehr Krankheiten." Nur die von ihr - aber auch anderen Tieren - übertragene Pilzinfektion Kryptokokkose sei ein Risiko für Menschen mit extrem geschwächtem Immunsystem. Das Robert Koch-Institut erklärt unter dem Stichwort Kryptokokkose, der Erreger komme hauptsächlich in Vogelfäkalien vor, "besonders von Tauben und Papageien-Arten".
Ein Gutachten, das der Verband "Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner" bei der Technischen Universität Darmstadt in Auftrag gab, ergab 2004, dass Taubenkot auf Gebäuden nicht einmal dem empfindlichen Sandstein schadet. Aber der Kot muss aufwendig entfernt werden. So werden manchmal spitze Spikes auf Fensterbrettern befestigt, damit sich keine Tauben niederlassen können.
Gudrun Stürmer und ihre Frankfurter Mitstreiter und Mitstreiterinnen vom "Stadttaubenprojekt" haben das "Augsburger Modell" übernommen, um die Fortpflanzung der Tiere zu regulieren: Sie betreuen drei Taubenhäuser, in denen die Vögel artgerecht gefüttert werden. Zudem entnehmen die Tierschützer Taubeneier und tauschen sie gegen Gipsattrappen aus.
Doch um die innerstädtischen Taubenhäuser wird gestritten. Noch sind sie nicht geräumt, noch ist kein Ersatz gefunden. In Stuttgart und München gibt es mehr als zehn Taubenhäuser. In Tübingen haben Kirchen ihre Dachstühle für Tauben geöffnet. "Ich wünsche mir in Zeiten, in denen wir immer mehr auf das Tierwohl achten, dass auch der Blick auf die Taube anders wird", sagt Stürmer.