Kalli hat einen Traum: "Es macht mir am meisten Spaß, meine eigene Musik zu produzieren", sagt die 24 Jahre alte Sängerin aus Freiburg. "Und gerne würde ich genug Geld verdienen, um über die Runden zu kommen." In einem Raum in vierten Stock der Popakademie Baden-Württemberg im Mannheimer Stadtteil Jungbusch probt sie mit Frido am Bass, Annelie am Schlagzeug und Conrad an den Keyboards ihren Song "Violet": Ein cooler Hip-Hop-Rhythmus unterlegt den tiefen Sprechgesang der jungen Songwriterin.
So wie Kalli, die sich auf einen Liveauftritt vorbereitet, gehe es den meisten der derzeit rund 400 Studierenden an der Popakademie, sagt der scheidende künstlerische Direktor Udo Dahmen: "Sie wünschen sich, mit der eigenen Musik erfolgreich zu sein."
Seit 20 Jahren vermittelt die Einrichtung nahe dem Mannheimer Rheinhafen jungen Menschen eine fundierte, studiengebührenfreie Ausbildung in den Bereichen Popularmusik sowie Musik- und Kreativwirtschaft. Im Juli 2003 ging sie aus der Rockstiftung Baden-Württemberg hervor.
Noch immer ist sie die einzige staatliche Hochschuleinrichtung dieser Art in Deutschland - und sie hat dazu beigetragen, dass die Stadt Mannheim wegen ihrer kreativen Musikszene von den Vereinten Nationen im Jahr 2014 den Titel "Unesco City of Music" erhielt. Popstars wie die "Söhne Mannheims" um den Sänger Xavier Naidoo und die verstorbene Blues-Sängerin Joy Fleming stammen von dort.
"We are people who design the future of music" (Wir sind Leute, die die Zukunft der Musik gestalten) wirbt die Popakademie selbstbewusst für sich. Hoch ist der Anspruch - und ziemlich groß der Erfolg der Hochschule, die vom Land Baden-Württemberg, der Stadt Mannheim, dem Südwestrundfunk (SWR) sowie der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg getragen wird: Rund 80 Prozent der Studierenden, etwa zur Hälfte Frauen und Männer, fänden einen Job in der Musikbranche, sagt Dahmen, der den Fachbereich Populäre Musik leitet.
Ein Popstar zu sein, das könne man vielleicht nicht planen, ergänzt der Musiker und Produzent Michael Herberger, der an der Popakademie neuer Geschäftsführer für den Bereich Musikbusiness ist. Aber man könne jungen Menschen das nötige "Handwerkszeug" geben, damit sie ihr kreatives Potenzial entfalten und im Musikbereich Erfolg haben könnten. Dazu seien auch Talent, Ideenreichtum und ein langer Atem nötig, weiß Herberger, der künstlerischer Kopf der Deutsch-Rapper "Söhne Mannheims" war.
Das Jobspektrum für die Absolventen der Popakademie ist so vielfältig wie das schwierige Musikgeschäft selbst: Sie arbeiten als Solokünstler, Komponistinnen, Produzenten, Arrangeure oder Begleitmusikerinnen, ein Viertel von ihnen gibt Musikunterricht. Rund 150 Dozenten und Dozentinnen aus Kreativberufen lehren in den drei Bachelorstudiengängen Popmusikdesign, Musikbusiness und Weltmusik sowie in den beiden Masterstudiengängen Popular Music und Music & Creative Industries.
Und die Profis vermitteln auch Kontakte in die Musikwelt, denn die Hochschule versteht sich als Kompetenzzentrum für Popkultur und Musikwirtschaft: Die Nachwuchsmusiker:innen sollen sich ein Netzwerk aufbauen und sich selbst gut präsentieren können. An der Popakademie finden deshalb regelmäßig Events für Musikschaffende statt. Dazu zählen internationale Treffen für Songschreiber und die digitale Musikwirtschaft sowie Workcamps für Bands. Studierende können ihre Songs öffentlich in einem "Work in Progress Club" vorstellen. Zudem gibt es eine eigene Künstleragentur.
Die Popakademie funktioniert aber gleichzeitig wie andere Hochschulen auch, mit Lehrveranstaltungen und Leistungstests. Eine Gruppe von Studierenden lauscht in einem großen Saal einer Vorlesung zur Popgeschichte: Der Hit "Hotel California" der US-amerikanischen Rockband "Eagles" aus dem Jahr 1976 wird analysiert. In einem Weltmusik-Kurs üben Seyda (23), Ferhat (29) und Virginia Elif (30) mit Dozent Samir Mansour mit traditionellen Zupfinstrumenten und Bongo ein türkisches Musikstück ein.
In einem anderen Raum gibt der Dozent Joshua Lutz Tipps, wie man Streichersätze arrangiert. Die Frage "Kann das ein Orchester überhaupt spielen?" müsse man stets im Hinterkopf behalten, rät er. Student Yannick (23) aus Berlin produziert sein eigenes Album und nimmt an dem Kurs teil, weil er "eine eigene musikalische Sprache finden will", wie er sagt.
Auch Arbana aus Mannheim will ihren Weg als Solokünstlerin gehen und besucht eine Übungsstunde im Nebenfach Keyboards bei Dozent Maze Leber. Die 24-Jährige schreibt Popsongs mit albanischen und englischen Texten. "Ich versuche, eine Nische zu finden", sagt sie und lächelt zuversichtlich. "Ganz klassisch will ich Sängerin sein - und berühmt."