"Sie ist ein Sinnbild des Frühlings", sagt der Biologe und Waldschutzexperte Rudolf Fenner. Es werde wohl wenige Menschen geben, die eine Birke mit ihrer typischen weißen Rinde nicht erkennen. Und "zum Ausschmücken aller kirchlichen Festtage im Frühjahr - Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten und Fronleichnam - werden gern Birken genommen", erklärt er. Auch der vielerorts alljährlich aufgestellte Maibaum oder der beim Richtfest in den Dachstuhl gestellte Richtbaum ist häufig eine Birke. Die Moor-Birke ist vom Verein Baum des Jahres (Sitz Rehlingen/Niedersachsen) zum "Baum des Jahres 2023" gewählt worden.
Die in Süddeutschland häufigere Sand-Birke von der Moor-Birke zu unterscheiden, sei nicht ganz leicht, sagt Fenner. Die Moor-Birke, die Temperaturen bis minus 40 Grad und starken Wind aushält, gilt als nördlichster Baum Europas und ist ein typischer Baum der Taiga, kommt aber auch im milderen Klima südlich dieser nordischen Wälder vor. Nur in Südeuropa - südlich der Pyrenäen und der Alpen - und in den asiatischen Steppengebieten fehlt sie. Ihr Charakteristikum sind behaarte Triebe und Blätter.
Bei ForstBW in Tübingen-Bebenhausen, für den baden-württembergischen Staatswald zuständig, betrachten die Forstexperten die Moor-Birke als künftig "forstlich interessanten Baum". Das zu den Harthölzern zählende Moor-Birkenholz lasse sich bestens für den Möbelbau, für die Furnier- und Sperrholzproduktion und als gut zu drechselndes Holz verwenden. Auch Sportgeräte, Musikinstrumente und Stiele für Bürsten und Pinsel können aus Birkenholz sein. Hierzulande werde Birke "leider noch immer vor allem als Kaminholz verheizt", heißt es in Bebenhausen. Birkenholz ist das einzige Holz, das auch in nassem Zustand brennt, und habe eine attraktive hell-bläuliche Flamme.
Birken verbessern Bodenfruchtbarkeit im Wald
Es sei sogar noch nicht lange her, dass Birken von Forstleuten als störendes Unkraut angesehen wurden, das möglichst schnell aus dem Bestand rausgeschlagen werden sollte, sagen die Forstexperten. Doch mittlerweile wisse man: Birken verbesserten das Binnenklima und die Bodenfruchtbarkeit im Wald. Zudem ließen sich die Moor-Birken ohne großen forstlichen Aufwand zu geradstämmigen und hochgewachsenen Bäumen mit sogar besserer Holzqualität als Sand-Birken entwickeln. Je mehr Moore renaturiert würden, desto mehr nassere Standorte werde es in den angrenzenden Wäldern geben. Damit wachse dann auch die Bedeutung der lichthungrigen Moor-Birke. Sie trage entscheidend zur Artenvielfalt und zur Wiederbewaldung auf schwierigen Standorten bei und sei eine Pionierbaumart.
Nach Katastrophen wie Stürmen oder Käferbefall greifen Försterinnen und Förster gerne auf schnell wachsende Birken zurück. "Die Birken unterstützen uns Forstleute bei den Anstrengungen gegen den Klimawandel. Unter ihren schützenden Kronen wachsen empfindlichere Pflanzen - auch Bäume - heran, die später einen stabilen Wald bilden, der gegen Hitze, Starkregen und andere Wetterextreme bestehen kann", erklärt der ForstBW-Vorstandsvorsitzende Max Reger.
Die Birke wird seit Jahrhunderten vielfältig genutzt. Aus ihrer Rinde entstanden Zeltabdeckungen und Schuhe. Wasserdichte Gefäße ließen sich mit Birkenruten fertigen. Das Birkenpech, destilliert aus Birkenrinde, wurde als Kaugummi oder Klebstoff eingesetzt, schon bei steinzeitlichen Werkzeugen. Es war auch Abdichtmittel beim Bau von Holzschiffen oder Holzfässern.
Auch in der Heilkunde spielt sie eine Rolle: Die Blätter der Moor-Birke enthalten viel Vitamin C und ätherische Öle. Die Erfahrungsheilkunde setzt sie bei Entzündungen der Harnwege, gegen Gicht und Rheuma ein. Ein Forscherteam der Universität Freiburg hat 2014 positive Effekte auf die Wundheilung nachgewiesen. Junge Birkenblätter kann man auch in Frühlingssalate geben. Dem durch Xylit süßen Birkenwasser aus dem Holz schreibt die Erfahrungsmedizin entzündungshemmende und cholesterinsenkende Wirkung zu. Genutzt wird Birke traditionell auch in Haarwasser gegen Schuppen und trockene Kopfhaut.